Full text: Der Arbeitsvertrag nach dem Privatrecht des Deutschen Reiches (1)

576 V. Abschn. Naturalvergütung. 2. Kap.: Abgrenzung. 
Nur im Vorbeigehen sei in Erinnerung gebracht, dafs auch vom 
Arbeitnehmer mitunter neben der Arbeit Sachleistungen von der- 
selben Art zu machen sind, wie sie als Naturalvergütungen des 
Arbeitgebers aufzutreten pflegen, eine Erscheinung, die im passenden 
Zusammenhang ausführlich behandelt wurde (Abschn. I Kap. 4). Für 
die folgende Untersuchung kommen selbstverständlich nur Natural- 
leistungen des Arbeitgebers in Frage. 
IT. Naturalvergütung ist nicht die zwar vom Arbeitgeber dem 
Arbeitnehmer, aber an Erfüllungs- oder Zahlungsstatt ge- 
machte Naturalleistung. 
Bei der datio in solutum ist eine Verbindlichkeit zu einer 
Leistung von gewisser Art, z.B. zu einer Geldleistung, begründet, 
somit diese Leistung geschuldet, und jene Verbindlichkeit wird da- 
durch erfüllt, dafs nach einer neuen Übereinkunft statt der geschul- 
deten Leistung eine andere gemacht wird!. Die andere Leistung 
kann ein dare oder ein facere sein; wenn letzteres Arbeit ist, so 
nennt man die Leistung an KErfüllungsstatt „abverdienen“, oder 
„durch Arbeit abverdienen“?*, Die andere Leistung braucht im Wert 
der geschuldeten nicht gleich zu sein. Sie kann darum die teilbare 
Verbindlichkeit nur zum Teil aufheben sollen. Es kann auch der Wert- 
unterschied die Grundlage einer Liberalität oder einer Übervorteilung 
einer Partei gegenüber der anderen bilden. 
Leistung an Erfüllungsstatt macht z. B. der Künstler, welcher 
dem Arzte, der ihn in einer Krankheit behandelt, oder dem Rechts. 
anwalt, der für ihn einen Prozefs geführt hat, „als Honorar“ ein von 
ihm geschaffenes Kunstwerk übereignet. Zwar macht er hiermit eine 
Natural-, nicht eine Geldleistung, aber der Vorgang ist nicht Gewäh- 
rung einer Naturalvergütung, sondern Leistung an Erfüllungsstatt, 
indem die gemäß der Medizinaltaxe oder der Gebührenordnung ent- 
standene Honorarforderung des Arztes bezw. des Rechtsanwaltes eine 
Geldforderung ist. Der Gläubiger nimmt statt der geschuldeten 
Geldleistung die erwähnte Naturalleistung an Erfüllungsstatt an. 
Wenn hingegen die Gewährung von Naturallohn bei der 
Schließung des Arbeitsvertrags vereinbart worden ist (S. 163), so ist 
die Verbindlichkeit des Arbeitgebers von vornherein nicht auf 
Geld-, sondern auf Naturalleistung gerichtet. hat sie primär nicht 
ı BGB. $ 364 Abs. 1: „Das Schuldverhältnis erlischt, wenn der Gläubiger 
eine andere als die geschuldete Leistung an Erfüllungsstatt annimmt.“ 
2 AuswG. 8 22. 8. auch oben S. 159/60.
	        
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