Full text: Der Arbeitsvertrag nach dem Privatrecht des Deutschen Reiches (1)

IIL Naturalleistung zur Ermöglichung oder Förderung der Arbeit, 683 
Arbeitnehmer empfängt insofern eine Zuwendung, als er vor einer 
Schmälerung seines Verdienstes bewahrt wird, die ihn sonst treffen 
würde, und mancher Kampf um die Arbeitsbedingungen dreht sich 
gerade um die Frage, ob der Arbeitgeber nicht außer dem bisherigen 
Lohn eine solche Ersparnis an demselben dem Arbeitnehmer zu ver- 
schaffen habe ?, 
Kann nun zwar bei dieser Auffassung die Lieferung der Voraus- 
setzungen, Stoffe und Mittel der Arbeit als eine vom Arbeitgeber dem 
Arbeitnehmer gemachte Naturalleistung betrachtet werden, so bleibt 
sie doch von einer Naturalvergütung weit entfernt. Denn nicht, wie 
die Vergütung, ist sie die Arbeit zu entgelten bestimmt und fähig. 
Sie bietet dem Arbeitnehmer kein Äquivalent seiner Arbeit, sie er- 
möglicht oder erleichtert ihm nur die Erfüllung seiner Arbeitspflicht, 
indem sie ihn in stand setzt, die Arbeit sei es überhaupt, sei es besser, 
schneller, dauerhafter, sparsamer, gefahrloser zu vollbringen. Während 
die Vergütung sich im Tauschverhältnis zur Arbeit befindet, bildlich 
gesprochen ihr gegenübersteht, stehen die fraglichen Leistungen auf 
seiten der Arbeit, bilden für diese keine Gegenleistung. Nicht darum 
sind sie keine Naturalvergütungen, weil sie nicht für die Person des 
Arbeitenden, sondern für die Sache der Arbeit gemacht werden; denn 
es zählen zu ihnen auch solche, die der Person des Verrichters gelten, 
wie die Hergabe von Schutzbrillen, Respiratoren, Arbeitskleidern ®. 
Aber diese werden dem Arbeitnehmer als Produzenten gewährt, für 
den Arbeitsprozefßs, zur Vollziehung des Arbeitsvertrags. Was hin- 
gegen Vergütung sein soll, mulß für den Arbeitnehmer auch außer- 
halb der Arbeit Wert haben, auch abgesehen vom Arbeitsprozefs ihm 
zu gute kommen. 
Vom ökonomischen Standpunkt, und zwar von dem des Unter- 
nehmers, zählen auch die Arbeitslöhne zu den Produktionsfaktoren, 
zu den Produktionskosten, ist insofern kein Unterschied zwischen den 
Kohlen, die die Maschinen in Gang, und den Nahrungsmitteln, .die 
den Arbeiter bei Kräften erhalten. Vom juristischen Standpunkte da- 
ı Bei den Steinarbeitern, deren „Geschirr“ verhältnismäfsig sehr kost- 
apielig ist, spielt die Frage, ob „Eigentumsgeschirr“ oder „Meistergeschirr“, 
eine grofse Rolle, z. B. Protokoll des VIIL Kongr. d. deut. Steinarbeiter (1897) 
3. 12. 13. 54. 58. Statist. Erhebungen .. . der Steinarbeiter (1896/7) S. 5. Ab- 
schaffung der Bezahlung der Maschinenarbeit durch den Arbeitnehmer ist 
eine bei den Lohnbewegungen der Tischler wiederholt erhobene Forderung. 
Wegen des Werkzeugs der Maurer :s. Gewerbegericht IV, 27. 28 (Tarifvertrag). 
? z. B. die Bekanntmachungen in RGBI. 1893 S. 209. 213. — 1897 S, 11. — 
1898 S. 176. Derartige Leistungen erfüllen eine gesetzlich auferlegte Pflicht, 
während die Vergütung eine freiwillige Zusage realisiert.
	        
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