5694 V. Abschn. Naturalvergütung, 3. Kap.: Konsumtibilien.
bildung zurücktritt und wegfällt. Wo solche Lehrverhältnisse sich
häufen, spricht man von „Lehrlingszüchterei“. Der sogenannte Lehr-
ling bekleidet hier die Stelle eines Gesellen oder Gehülfen, ohne dafs
der Arbeitgeber den für solche üblichen Lohn zu entrichten braucht!.
Der uneigentliche Lehrvertrag, in welchem dem Lehrling die
Parteistellung des Arbeitnehmers zukommt, und die Gewährung von
Berufslehre eine meist stillschweigend vereinbarte Naturalvergütung
bildet, ist ein so verbreiteter Thatbestand, dafs hier kaum weitere
Hinweise auf sein Vorkommen von nöten sind®.. In anderer als recht-
licher Hinsicht ist dieser Vertrag dadurch bemerkenswert, dafs der
Arbeitnehmer meist in jugendlichem Alter steht®. Zu Gunsten dieser
jungen Personen ist anzunehmen, dafs wo die Gesetze, namentlich
BGB., HGB. und GewO., vom Lehrvertrag reden, sie nicht blofs den.
eigentlichen, sondern auch den hier charakterisierten uneigentlichen.
Lehrvertrag im Auge haben, beiderlei Vertrag treffen wollen (S. 79. 80).
III. Innerhalb der vorstehenden Gruppe von Naturalvergütungen
läfst sich folgende Reihe für die Empfänger wichtiger Unterschiede
wahrnehmen. .
Bald nämlich handelt es sich bei jenen Konsumtibilien um Natural-
leistungen, die nur für den Arbeitnehmer in Person bestimmt sind, bald
um solche, die sich auch auf seine Angehörigen erstrecken. Wie die
Geldvergütung in vielen Fällen so bemessen ist, dafs mittelst ihrer der
Arbeitnehmer, welcher eine physische Person ist, außer dem eigenen,
iz. B. Lage des Handwerks II, 78. 396. Ebenda 1, 148: kürzere Lehr-
zeit, falls Lehrgeld gezahlt oder das Bett vom Lehrling geliefert wird. „Nichts:
ist wohl geeigneter, das heutige Lehrverhältnis kurz zu charakterisieren als
diese Ausnahme.“ Wiener Lohnarbeiterinnen S. 76: „Wie lange haben sie
gelernt, wenn sie zu Ihnen kommen?“ „Vier Jahre, wenn sie die Kost haben,
und sonst drei Jahre.“ Maier, Verband der Glac6@handschuhmacher (1901)
S. 187.
2 Im Inseratenteil einer einzigen Zeitungsnummer (Münchner Neueste
Nachrichten, 11, Sept. 1897) finden sich nicht weniger als 15 von Unter-
nehmern ausgehende Gesuche von Lehrlingen, Lehrmädchen, „Anfangs-
kellnerinnen“, „Anfangsmädchen“, einige mit Zusicherung von „sofortiger
Bezahlung“, Taschengeld, Lohn und Kost u. s. w. S. ferner Feig, Berliner
Wäsche-Industrie S. 50. 57. 76. 94. 109. Pierstorff, Carl Zeifs-Stiftung
$. 18. 44. Thurneyssen, Münchner Schreinergewerbe S. 130. Herzberg,
Schneiderei in München S. 118. Arnold, Münchner Bäckergewerbe S. 81/82.
3 Ausnahme: Ausgelernte Köche, die zu ihrer höheren Ausbildung eine
Zeit lang als Lehrlinge in einer Konditorei arbeiten. Lage des Handwerks
N, 411.