Full text: Der Arbeitsvertrag nach dem Privatrecht des Deutschen Reiches (1)

596 V. Abschn. Naturalvergütung. 8. Kap.: Konsumtibilien. 
größern. Es ist aber auch ein und dieselbe Naturalvergütung, 
namentlich Wohnung oder Beköstigung, für den Arbeitnehmer wie 
für den Arbeitgeber verschieden, je nachdem sie im Bereich des letz- 
teren gewährt wird oder nicht. Man denke an den Handlungs-, 
Apotheker- oder Barbiergehülfen, der entweder am Tische des Arbeit- 
gebers oder etwa in einem der Betriebsstätte benachbarten Gasthause 
auf Kosten des Arbeitgebers die Mahlzeiten erhält. Sobald er. zur 
Einnahme derselben die Betriebsstätte verlassen hat, ist er der Ge- 
legenheit, zur Fortsetzung der. Arbeit (mit Unterbrechung der Mahl- 
zeit) herangezogen zu werden, viel }mehr entrückt, als im ersteren 
Falle ?. 
Unsere Naturalvergütungen sind ferner darin verschieden, dafs 
die einen, wie Wohnung, Beleuchtung derselben, Schlafstätte, Mahl- 
zeiten, Unterweisung, nur so wie sie geboten. werden, zu gewisser 
Zeit, in. gewissem Raum, vom Arbeitnehmer persönlich (und etwa noch 
von den Seinigen) genossen und genützt werden können®, während 
die anderen zeitlich und räumlich und sonst seiner beliebigen Ver- 
fügung unterstehen, so dafs insofern ihre Verwendbarkeit und Ver- 
wertbarkeit unbeschränkt ist, namentlich der Rohstoffe zu Kleidung 
and Nahrung *, 
Endlich ist auch noch der Unterschied von Bedeutung, ob die 
1 Zu dieser indirekten Verköstigung greift der Arbeitgeber nicht selten 
darum, weil sein Betrieb die Einhaltung gewisser Speisestunden, wenigstens 
durch die Arbeitnehmer, nicht gestattet, und er nicht so leicht als ein Gast- 
haus die Kost für diejenige Zeit bereit zu stellen vermag, in der sie ein- 
genommen werden kann. 
2 Vgl. GewO. 8 189° Abs. 3, wonach den Gehülfen, Lehrlingen und 
Arbeitern, wenn sie „ihre Hauptmahlzeit aufserhalb des die Verkaufsstelle 
enthaltenden Gebäudes einnehmen“, eine anderthalbstündige, sonst nur eine 
„angemessene“ Mittagspause zu gewähren ist. Nach der amtlichen Begründung 
zum- Entwurf dieses Gesetzes ist „auf die gesundheitlichen Nachteile solcher 
unregelmäfsigen, hastigen und durch Unterbrechungen. gestörten Mahlzeit 
sowohl vom kaiserl. Gesundheitsamt als auch von der Komm. f. Arbeiterstat. 
hingewiesen worden“. S. auch” Adler, Lage der Handlungsgehülfen S. 77. 
Gleichwohl ist nach Nelken, Handwerker- und Arbeiterschutzgesetze S. 926 
„nicht anzunehmen, dafs eine angemessene Ruhe dann nicht gewährt wird, 
wenn der Gehülfe verpflichtet ist, während der Mahlzeit einen Kunden zu 
bedienen“. 
38 z, B. „der Haustrunk darf nur in der Brauerei genossen werden“. 
Arbeitsordnung einer Brauerei (S. 3902). 
4 z. B. verkauft der Arbeitnehmer das Getreide, das er als Drescher- 
lohn erhält,. soweit er es nicht selbst verbraucht, an den Händler, oder an 
den Arbeitgeber: Verhältnisse der Landarbeiter II, 489. II, 16. 20. Land- 
arbeiter in den evang. Gebieten I, 85. 102.
	        
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