702 V. Abschn. Naturalvergütung. 4. Kap.: Erwerbsgelegenheit.
Erwerbsgelegenheit gehörigen Fällen haben wir dem Recht nach nicht
wahrscheinliche, sondern gewisse Einkünfte, Andererseits ist die Un-
gewifsheit und Wahrscheinlichkeit der Einnahme nichts der Erwerbs-
gelegenheit als Naturalvergütung Eigentümliches, da sie auch da vor-
kommt, wo Geldvergütung vereinbart ist, z. B. bei Arbeitsverträgen
mit gesetzlich bedingter Vergütungsschuld (BGB. $ 652, HGB. 8 88),
in den S. 698 al. 2 erwähnten Fällen und überhaupt bei partiarischer
Vergütung (S. 165. 3682).
IV. Die Erwerbsgelegenheit als Naturalvergütung zerfällt in zwei
Unterarten, indem sie sich bald ‚als Gelegenheit zum Erwerb von
Geld, bald als Gelegenheit zum Erwerb von anderen Konsum-
tibilien (Lebensmitteln) darstellt.
Ein wichtiges Beispiel der ersten Unterart bietet der Verlags-
vertrag über Werke der Litteratur und der Tonkunst (S. 297. 298). Der
Verleger hat als Arbeitnehmer die Vervielfältigung und die Verbreitung
oder nur die Verbreitung des ihm gelieferten Werkes zu besorgen.
Die ihm hierfür vom Arbeitgeber, gewöhnlich dem Autor bewilligte
Vergütung besteht in der Einräumung einer Gelderwerbsgelegenheit,
Diese Einräumung erfolgt dadurch, dafs dem Verleger gestattet wird,
die Verbreitung für eigene Rechnung zu vollführen, was dem
Verlagsvertrag wesentlich ist. Den hierdurch gemachten Geldgewinn
darf er ganz oder teilweise behalten. Die Realisierung der ihm ge-
währten Erwerbsgelegenheit liegt insofern vollständig auf dem Rechts-
gebiet, als sie in Abschlufs und Vollzug zweiseitiger Verträge besteht,
namentlich von Kaufverträgen gegenüber den Konsumenten oder
Mittelspersonen, z. B. Buchhändlern. Auf jene Realisierung hat der
Arbeitgeber als Arbeitgeber keinen Einflufs!. Aus diesen Gründen, d. h.
weil die Ausnutzung der Erwerbsgelegenheit durch anerkannte Kon-
irakte des Arbeitnehmers mit Dritten und unabhängig vom Arbeit-
geber erfolgt, bietet hier die Erwerbsgelegenheit als solche der
juristischen Betrachtung keine Probleme.
Anders steht es um einen zweiten, auch ökonomisch und kulturell
weit entfernten, dafür jedoch unvergleichlich öfter vorkommenden Fall,
nämlich die Gelegenheit zum Erwerb von Trinkgeld. Da dieselbe
1 Er hat sich nur selbst der Vervielfältigung und Verbreitung zu ent-
halten und sie ausschliefslich dem Verleger zu gestatten: Verlagsgesetz $ 8.
„Der Verleger ist verpflichtet, das Werk in der zweckentsprechenden und
üblichen Weise zu vervielfältigen und zu verbreiten“: 8 14. „Die Bestimmung
des Ladenpreises, zu welchem das Werk verbreitet wird steht für jede Auf-
lage dem Verleger zu“: 8 21.