708 V. Abschn. Naturalvergütung. 4. Kap.: Erwerbsgelegenheit.
der Arbeitsvertrag verkannt und der Thatbestand irrtümlich als Kauf
oder Pacht aufgefalst worden. In Verträgen, welche der Wirt mit
solchen Angestellten eingeht, die nicht mit dem Publikum in Berührung
kommen, wie der Büffetier oder Schenkkellner, wird nicht selten als
Vergütung die Gelegenheit gewährt, aus der Veräulserung des Ge-
tränkes für eigene Rechnung Gewinn zu ziehen. Die Belohnung für
die Arbeit des Bierausschanks besteht hier in der Überlassung der
Differenz. zwischen der Summe der Preise, die von den Gästen für
die dem Fafls entnommenen Gläser bezahlt werden und dem Betrag,
den der Büffetier dem Wirt zu entrichten hat: es braucht nämlich der
Arbeitnehmer hier nicht alles, was er bei Vollziehung des Arbeits-
vertrags mit den Mitteln des Arbeitgebers einnimmt, demselben
herauszugeben. Jene Differenz beruht bald auf dem gewöhnlichen
Verfahren, den Engrospreis unter der Summe der Detailpreise zu
halten‘, bald darauf, dafs der Ausschank so praktiziert wird, dafs
das Faß mehr Gläser liefert, als sein Nominalgehalt ergiebt: man
nennt dies Überschank?. Es besteht nun kein stichhaltiger Grund,
in einem Vertrag, worin die Schenkenarbeit gegen die Überlassung jener
Differenz vereinbart wird, etwas anderes als einen Arbeitsvertrag zu
erblicken und statt dessen eine Pacht (sog. Tonnenpacht) oder einen
Kauf des Bieres durch den Büffetier anzunehmen®., Auch dadurch,
dafs dem Schenkkellner nicht die ganze erwähnte Differenz überlassen,
sondern im Vertrag auferlegt wird, einen Teil derselben an den Wirt
herauszuzahlen, wird der Thatbestand nicht wesentlich verändert, er
bleibt ein Arbeitsvertrag und stellt so wenig eine Pacht dar*, als der
Vertrag des Kellners, dem die Trinkgeldgelegenheit nur mit einem
Abzug überlassen ist. Vgl. auch S. 298 Nr. 2.
Auf die grofßse materiell- und prozefsrechtliche Bedeutung der
Frage, ob eine im Gastwirtsgewerbe angestellte Person als Pächter
L Cit. Erhebungen Nr. 6 S. 120.
? S. ferner cit. Verhandlungen Nr. 16 S. 46: „Sie mu[sten mehr bezahlen,
als der Wirt an die Brauerei?“ „Ja bedeutend. Ich mufste für vier Viertel
an den Wirt 63 Pf. bezahlen, während ich dafür nur 60 Pf. bekam. Also
mufste mein Verdienst durch Schneiden entstehen.“
3 wie das Berliner Gewerbegericht gethan hat: Unger, Entscheidungen
Nr. 172. Das Gericht hat hier darum keinen Arbeitsvertrag gesehen, weil es
die Lohnzahlung vermifste. Zu einem Arbeitsvertrag gehört jedoch nicht
Lohnzahlung, sondern Lohnvereinbarung. Der vereinbarte Lohn braucht
auch nach der GewO. nicht Geldlohn zu sein (S. 672, 678), es kann vielmehr
jede Vergütung vereinbart werden, auch eine, die in einer Erwerbsgelegenheit
besteht. Vgl. auch die Entscheidung Nr. 195.
‘ Trefz. Wirtsgewerhe in München S. 92. 98.