JHIL Historisches Verhältnis zum Zeitlohnvertrag. 721
das Stück geltenden Betrages bestimmt ist. So erhält der Geselle
für sog. Herrenböden statt des Ganzstücklohnes von 4 Mk. nur
2,20 Mk. für das Stück und daneben Logis und einige Beköstigung!.
Von den Hamburger Kohlenarbeitern, die das Bekohlen der Dampf-
schiffe verrichten, erfahren wir, dafs sie bei Schnelldampfern für die
Tonne 1,10 Mk. als Akkordlohn und aufserdem Verpflegung für die
Tage empfangen, während deren jene Akkordarbeit vollbracht wird 2. —
Ein anderes Beispiel gewährt der Saisonkellner, welchem ein Salär
in Geld für‘ seine ganze Saisonarbeit (nicht pro Woche oder Monat)
und aufserdem freie Station und Gelegenheit zum Trinkgelderwerb
zugesagt ist,
Die im Vorstehenden angeführten Beispiele sind Fälle der Ver-
bindung von Zeitlohnvertrag und Akkord. Diese noch weiter greifende
Kombination der beiden Grundformen des Arbeitsvertrags kann ein-
gehend erst nach Kennzeichnung jeder einzelnen im zweiten Bande
erörtert werden. Die vorhin beigebrachten Fälle haben die Besonder-
heit, dafs ihr Zeitlohn Naturallohn ist. Sie wurden angeführt nur
zur Bewährung der Lehre, dafs gewisse Naturalvergütungen um ihrer
Beschaffenheit willen mangels anderer Bestimmung für Zeitlöhne zu
erachten sind, und dieses auch dort, wo sie neben Akkordlöhnen auf-
treten, welche für die nämliche Arbeit bewilligt werden. Dies war darum
hervorzuheben, weil, wie wir sahen (S. 718), auch Naturalvergütungen
vorkommen, die wegen ihrer Konkurrenz mit deklarierten Zeitlöhnen
selber als Zeitlöhne anzusprechen sind. Es giebt eben, wie bemerkt
wurde, zwei Kriterien, Naturalvergütungen, die nicht ausdrücklich als
Zeitlöhne vereinbart worden sind, dafür zu erkennen: außer der be-
sagten Konkurrenz die eigene Beschaffenheit, nach welcher die Natural-
vergütung periodische Bedürfnisse befriedigt oder periodische Erträg-
nisse liefert und damit immplieite „nach Zeitabschnitten bemessen“ ist.
III. Das Verhältnis der Naturalvergütung zu den Grundformen
des Arbeitsvertrags ist im Vorausgehenden nur für die heutige Ordnung,
nur im dogmatischen Sinne behandelt worden. Aber die Wahrnehmung,
dals gewisse Naturalvergütungen blofs im Zeitlohnvertrag anzutreffen
1 Verschieden von der Halbstückarbeit ist der Fall, in dem der Lohn-
satz für das Stück bestimmt ist ohne Rücksicht auf Kost- und Logisgewährung,
jedoch von dem verdienten Akkordlohn abgezogen wird, was als Natural-
leistung während der Arbeit kreditweise gereicht wurde (S. 657). Hier liegt
weder Naturallohn, noch Kombination von Akkord- und Zeitlohnvertrag vor,
wie Komm. f. Arbeiterstat., Erhebungen Nr. 10 $S. 50 im Hinblick auf Ver-
handlungen Nr. 10 S. 88. 89 irrtümlich annimmt.
? Bericht der (Hamburger) Senatskommission (1898) S. 11.
Lotmar, Arbeitsyurtrag. I. 16