II. Aufrechnung, Zurückbehaltung, Einbehaltung, Verwirkung. 727
Leistung vom Arbeitnehmer gemacht wird!, stark wider den Sinn
jenes Arbeitsverhältnisses verstofsen würde, —
Auch die von der Einbehaltung des Lohnes geltenden Vor-
schriften treffen da auf Schwierigkeiten, wo es sich um Naturallohn
handelt. Was GewO. 8 1192 Abs. 1 über das Maximum der aus-
bedingbaren Einbehaltung bestimmt, bezieht sich auf Geldlohn. Dies
steht der analogen Anwendung auf Naturallohn nicht im Wege. Die
Bedrückung des Arbeitnehmers, die durch Einbehaltung geschieht, ist
auch dann möglich, wenn der Lohn nicht in Geld oder nicht blofs in
Geld besteht. Auch ist die Anlegung des gesetzlichen Maßstabes
(ein Viertel des fälligen Lohnes für die einzelne Einbehaltung und
ein durchschnittlicher Wochenlohn im Ganzen) bei Naturalvergütung
im allgemeinen faktisch ausführbar. Gleichwohl begegnet die gesetz-
liche Vorschrift folgenden Hindernissen: .
1. giebt es Naturallöhne, deren partielle Einbehaltung faktisch
unausführbar ist oder wider den Sinn verstofsen würde, den der ge-
gebene Naturallohn oder den die Lohneinbehaltung hat. Unausführbar
ist die partielle Einbehaltung, wo die Vergütung in Erwerbsgelegenheit
und wo sie in Quartier besteht. Auch die Beköstigung verträgt nicht
die Einbehaltung eines Viertels, weil sie in dem Sinn zugesichert ist,
dafs sie das tägliche Nahrungsbedürfnis standesmäfsig decken soll®.
Es wäre widerspruchsvoll oder unmoralisch, eine Einbehaltung von
dem zur Deckung des Bedürfnisses Erforderlichen auszubedingen.
Dazu kommt für diejenigen Naturalien, die einer partiellen Ein-
behaltung zugänglich wären, der Charakter des Provisorischen, den
die Lohneinbehaltung trägt (S. 435). Vermöge dessen kann es,
nachdem- die Einbehaltung gegenstandslos geworden ist, zur nach-
träglichen Ausfolgung des Einbehaltenen kommen, möglicherweise im
Betrag eines durchschnittlichen Wochenlohnes. Wenn aber ein so
grofßses Quantum für den Arbeitnehmer unverwendbar ist, so führt die
Einbehaltung thatsächlich zu einer Einbufßse, was wider ihren
Sinn verstößt.
2, Die durch GewO. 8 119% geregelte Ausbedingung der Ein-
behaltung betrifft die Einbehaltung zur Sicherung eines gewissen
Schadensersatzes oder einer gewissen Konventionalstrafe (S. 446).
Allein diese Sicherung ist völlig erreichbar nur mittelst Retention
oder Kompensation, welche freilich. wie wir S. 451 sahen. nur in
iz. B. Schadensersatz, Rückgabe von Werkzeugen.
? Die in ScemO. 8.79 vorkommende „mäfsige Schmälerung der Kost“ ist
keine Lohneinbehaltung, weil sie definitiv und weil sie eine Strafe ist.