Full text: Der Arbeitsvertrag nach dem Privatrecht des Deutschen Reiches (1)

734 V.Abschn. Naturalvergütung, 7. Kap.: Vergleichung v. Geld-u. Naturalverg. 
vergütung, die in Gelderwerbsgelegenheit besteht, nicht zu finden. 
Aber auch daß der Arbeitgeber Lebensmittel als Vergütung reicht — 
wie dem Vorstand einer Aktiengesellschaft eine Dienstwohnung, oder 
den Näherinnen einer Wäschefabrik, die in einem Logierhause, den 
Zieglern, die auf den Öfen der Ziegelei, in einer nahen Baracke oder 
in einem Güterwagen der Eisenbahn untergebracht, den Friseurgehülfen, 
die in einem benachbarten Kosthause verköstigt werden — schließt 
keineswegs ein patriarchalisches Verhältnis ein, obwohl es der Natural- 
vergütung unterfällt!. Nicht darin, dafs die Bäckergesellen Lebens- 
mittel als Vergütung empfangen, liegt das Patriarchalische?, sondern 
nur in der Art dieser Verabreichung, dafs nämlich der Arbeitgeber 
den Arbeitnehmer an seinen eigenen Lebensmitteln, an seiner Wohnung 
und Nahrung teilnehmen läfst, wodurch sie einander persönlich näher 
gebracht werden®. Wenn ferner das Instverhältnis im ostelbischen 
Deutschland als patriarchalisch bezeichnet wird“*, so geschieht das 
nicht schon wegen der Naturalvergütung, die der Instmann empfängt, 
sondern im Hinblick auf seinen Ernteanteil, seine Beteiligung am 
Rohertrag der Wirtschaft, die eine Interessengemeinschaft der Parteien 
bedeutet; freilich auch darum, weil jener Anteil in Naturalien besteht, 
während die Participation eines Handlungsgehülfen am Geldertrag 
eines Handelsbetriebs kein patriarchalisches Gepräge hat. Andererseits 
wird bisweilen sogar das als patriarchalisch angesprochen, dafs der 
Arbeitnehmer zwar Nahrung und Wohnung in der Hausgemeinschaft 
des Arbeitgebers empfängt, aber nicht als Naturalvergütung, sondern 
gegen einen Entgelt, den sich der Arbeitgeber durch einen Abzug 
vom Geldlohn verschafft (S. 657)5. 
! Zu weit also, auch für den nationalökonomischen Begriff Schmoller: 
„Alle Naturallöhnung setzt gewisse engere patriarchalische Beziehungen, ein 
gegenseitiges sich Schicken und Vertragen voraus.“ Sociale Praxis XI, 422, 
2? Nach Arnold, Münchener Bäckergewerbe S. 68 „steht das Bäcker- 
gewerbe noch überwiegend auf dem patriarchalischen Standpunkte der teil- 
weisen Naturalentlohnung.“ 
3 In diesem Sinn ist von patriarchalischer Gepflogenheit, vonPatriarchalis- 
mus u, dgl. die Rede, z. B. Lage des Handwerks VII, 483, Francke, Schuh- 
macherei S. 180. 207. 234, Komm. f. Arbeiterstatistik, Erhebungen Nr. 5 S. 93, 
Adler, Lage der Handlungsgehülfen S. 33 („das väterliche Autoritäts- 
verhältnis“). 
4 M. Weber in Brauns Archiv VII, 18 und Verhältnisse der Land- 
arbeiter III, 597. 
5 Francke a. a. 0. S. 181: „in den kleineren Orten, wo der “Patriarcha- 
lismus? noch sein Gewohnheitsrecht behält und die Abzüge für Kost und Logis 
den Geldlohn auf eine ganz geringfügige Summe herabdrücken.“ Württemb. 
Fabrikinsp. f£ 1898 S. 45
	        
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