Full text: Der Arbeitsvertrag nach dem Privatrecht des Deutschen Reiches (1)

IV. Umsetzbarkeit, V. Extraarbeit zur Realisierung d. Erwerbsgelegenheit. 743 
Mag immerhin bisweilen oder oft die Naturalvergütung an Umfang 
oder Qualität die Güter übertreffen, die der Arbeitnehmer sich ver- 
schaffen könnte, wenn er statt Naturrallohnes Geldlohn erhielte, so 
ist doch der Naturalvergütung empfangende in der Disposition über 
den Lohn wirtschaftlich ungleich beschränkter, als der mit Geld ge- 
lohnte Arbeitnehmer. 
v. Mit dem Empfang des Geldlohnes ist in den meisten Fällen 
kein besonderer oder kein ins Gewicht fallender Zeitaufwand für den 
Arbeitnehmer verbunden. In geregelten Arbeitsverhältnissen und wo 
die Arbeitnehmer mit Zeit und Kraft hauszuhalten gelernt haben, 
wird mehr und mehr von ihnen darauf gehalten, dafs sie zur Ein- 
ziehung ihrer Geldlohnforderung nicht einen erheblichen Teil der 
freien Zeit zu opfern brauchen (S. 358?). Ferner vollzieht sich die 
Verwendung des Geldlohnes nicht im Bereiche der Produktion und 
pflegt dem Arbeitnehmer keine Mühe zu machen. Beides ist bei 
wichtigen Arten der Naturalvergütung anders. 
Denn während nach Empfang von Geld oder von genufßsreifen 
Lebensmitteln sich der Arbeitnehmer unmittelbar der Konsumtion 
zuwenden kann, mul, wo die Vergütung in Erwerbsgelegenheit besteht, 
diese, um zu Geld oder Lebensmitteln zu führen, erst noch realisiert 
werden. Dies kann innerhalb der gewöhnlichen Arbeitszeit durch die 
aus dem Arbeitsvertrag geschuldete Arbeit geschehen und erfordert 
dann kein besonderes Opfer. Mitunter aber muß der Arbeitnehmer 
ein Mehr von Arbeit leisten, wenn er seinen Erwerb nicht vereitelt 
sehen will. So hat sich schon in anderem Zusammenhang gezeigt 
(S. 713 unten), dafs der Arbeitnehmer, welcher Landnutzung als Lohn er- 
hält, dadurch nicht selten genötigt wird, einen Teil seiner Ruhezeit 
der Arbeit zu widmen, um sich den Ertrag des Landes zu verschaffen !. 
Im Gastwirtsgewerbe, soweit der Gehülfe statt Geldlohnes Gelegenheit 
zum Erwerb von Trinkgeld oder Verkaufsprofit erhält, kommt es nicht 
selten vor, dafs er auf Kosten seiner Nachtruhe ebenso den nächt- 
lichen Aufbruch der letzten Gäste abzuwarten, als bei der Hand zu 
sein hat. wenn in der Frühe die ersten Gäste abreisen ?. 
ı Mit Bezug auf den Landarbeiter, dem mit Landnutzung und noch 
nicht genufsreifen Lebensmitteln vergütet wird, bemerkt Weber in Brauns 
Archiv VII, 12: „es ist auch ein wesentlicher Teil des Produktionsprozesses 
seines Bedarfs vom Herrn auf ihn abgewälzt, es werden seine freie Zeit, die 
späten Abendstunden, die freien Sonntage und die arbeitsstille Winterszeit, 
und es werden seine nicht mit arbeitenden Familienglieder mit ausgenutzt.“ 
Vgl. auch Fiedler, Arbeiterfrage auf dem Lande 8. 23. 
2? Komm. f, Arbeiterstatistik, Verhandlungen Nr. 16 z. B. S.23. Cohen
	        
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