756 VL. Abschn. Tarifvertrag. 1. Kap.: Thatbestand.
bestimmten Individuen, sondern den Paciscenten gewisser Parteistellung
zu gute kommt. Im Interesse der Arbeitnehmer künftiger Arbeits-
verträge werden durch den Tarifvertrag die Lohn- und Arbeits-
bedingungen jener Arbeitsverträge festgesetzt. Gereicht diese generelle
und im voraus geschehene Festsetzung in vielen Fällen dem Arbeit-
nehmer zum Vorteil, weil sie ihm zu einem Vertragsinhalt verhilft,
den er bei Abschliefsung des Arbeitsvertrages, also in Wahrung seines
Einzelinteresses und als isolierter Kontrahent nicht würde erlangen
können, so ist damit nicht gesagt, dafs der Tarifvertrag demjenigen
Kontrahenten zum Nachteil gereichen müsse, der in den künftigen
Arbeitsverträgen die Arbeitgeberstellung einnimmt. Empfindet er
seinesteils den Tarifvertrag als eine Beschränkung der Vertragsfreiheit,
so mag er sich hierauf einlassen nicht blofs weil er sich dem nicht
entziehen kann, sondern auch darum, weil nunmehr die Lohn- und
Arbeitsbedingungen zeitweise stabilisiert sind, und weil er seine Kon-
kurrenten der gleichen Schranke unterworfen sieht.
Der Tarifvertrag, der, für sich betrachtet, einen eigentümlichen
Thatbestand und eine eigentümliche Rechtswirkung zeigt, die beide
in diesem Abschnitt anzugeben sind, läßt sich, in Verbindung mit dem
Vertrag betrachtet, den er beherrscht oder bedient, auch als Mittel
oder Methode der Schließung dieses letzteren ansehen, danach als
kollektive Vertragschlielsung bezeichnen. Während sonst
die Leistungen, die ein Paciscent dem anderen zu machen verpflichtet
werden soll, entweder innerhalb des Vertrags, oder zwar aufserhalb
des Vertrags, aber dann nur von einer Partei selbst oder einem Dritten
festgestellt werden und von da in den Vertrag übergehen, ist bei der
kollektiven Vertragsschliefsung keines von beidem der Fall. MLohn-
und Arbeitsbedingungen, die wichtigsten Bestimmungen der Leistungen
aus dem Arbeitsvertrag, werden zwar nicht im Arbeitsvertrag, aber
doch von künftigen Parteien desselben vereinbart, indem nicht, wie
im Arbeitsvertrag, der einzelne Arbeitnehmer, sondern die gesammelten
Arbeitnehmer dem Arbeitgeber oder den ebenfalls gesammelten Arbeit-
gebern gegenübertreten. Dieses Verfahren bietet von seiten des Rechts
nichts, wodurch es auf den Arbeitsvertrag beschränkt bleiben müsste.
Vielmehr scheinen nur gewisse faktische Umstände seine Anwendung
zu begünstigen oder auszuschliefsen. Wo nämlich unter den Kon-
trahenten eine beträchtliche Stärkeverschiedenheit besteht, wegen welcher
der schwächere das Bündnis mit seinesgleichen wünscht, um 50 einige
geringste Bewilligungen vom Gegenkontrahenten zu erlangen und die
Unterbietung durch nachgiebige Genossen fernzuhalten; wo die
Kontrakte zugleich solche sind. an welche für die schwächere Partei