Full text: Der Arbeitsvertrag nach dem Privatrecht des Deutschen Reiches (1)

I. Wesen und Zweck der kollektiven Vertragschliefsung. Vorkommen, 757 
die Existenz geknüpft ist, weil sie ihr die einzige Einkommensquelle 
bieten; und wo endlich vermöge der Ähnlichkeit ökonomischer Lage 
auch ohne die kollektive und daher gleichmäfsige Festsetzung der 
Vertragsbedingungen eine gewisse Gleichmäfsigkeit derselben Platz 
greifen würde: unter diesen Voraussetzungen ist die kollektive Ver- 
tragschliefßsung oder der Tarifvertrag bisher allein zu finden gewesen. 
Wohl kennt man Verständigungen der Verkäufer oder der Vermieter 
über ihre Vertragspropositionen und ebenso interne Abmachungen der 
Käufer oder der Mieter. Hingegen Tarifverträge über Käufe oder 
Mieten scheinen nicht vorzukommen. Vielmehr tritt der Tarifvertrag 
überall nur im Zusammenhang mit dem Arbeitsvertrag auf. Aber 
kein Typus des Arbeitsvertrags ist so geartet, dafs seine Bestimmungen 
nicht zum Inhalt eines Tarifvertrags gemacht werden könnten. Und 
andererseits bietet die Natur des Tarifvertrags kein Hindernis, wie 
Dienst-, Werk-, Mäkler- und entgeltlichen Verwahrungsvertrag des 
BGB. auch handelsrechtliche und landwirtschaftliche Arbeitsverträge 
zum Objekt genereller vertraglicher Regelung zu machen. Die recht- 
lich bei allen Typen anwendbare Methode kollektiver Vertragschliefsung 
ist in einer Reihe von Fällen durch eine den Tarifvertrag ersetzende 
gesetzliche oder obrigkeitliche Regelung ausgeschlossen (vgl. S. 133. 134), 
in anderen dadurch überflüssig gemacht, dafs jede Partei sich stark 
genug fühlt, im Wege der individuellen Übereinkunft die ihr genehmen 
Bedingungen zur Annahme zu bringen. Es liegt daher nicht am recht- 
lichen Wesen des Tarifvertrags, dafs er bisher fast nur auf diejenigen 
Fälle des Arbeitsvertrages angewandt wurde, bei welchen die ökono- 
mische Ungleichheit der Kontrahenten mit dem Bedürfnis von Schranken 
der Unterbietung zusammentrifft. Vorzüglich die gewerblichen Arbeiter, 
Seeschiffsleute und Bergleute haben sich die kollektive Vertrag- 
schlielßung zu nutze gemacht. Vereinzelt kamen Tarifverträge zwischen 
Fabrikanten und Meistern, die selbst wieder Arbeitgeber!, ferner zwischen 
Krankenkassen und Ärzten vor?. Im Gebiet der Heimarbeit ist man 
über Versuche nicht hinausgekommen; zwar sind hier alle ökono- 
mischen Voraussetzungen gegeben, aber die Schwierigkeit, die zer- 
streuten Arbeitnehmer auf gemeinsame Vertragspropositionen zu einen, 
bereitet der kollektiven Vertragschliefsung Hindernisse ®. 
Kam bisher der Tarifvertrag als das Generelle in Betracht gegen- 
über den einzelnen Arbeitsverträgen. die er versorgt, so kann er 
1 z. B. Kulemann, Gewerkschaftsbewegung S. 669. 676. 
2 Sociale Praxis VILI, 443. 1246. X, 683. 707. 730. 783. 919. 
ı Zwiedineck-Südenhorst, Lohnpolitik S. 390 fe.
	        
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