764 VI. Abschn. Tarifvertrag. 1. Kap.: Thatbestand. .
gehöriger einer Mehrheit hat. Als in den Bereich des Berufs- oder
des Klasseninteresses hineinragend sind sie der individuellen Regelung
entrückt, passen sie nicht in einen Arbeitsvertrag. Und das hier vor-
liegende Mehrheitsinteresse kann nur dadurch im Wege der Vertrag-
schliefsung wahrgenommen werden, dafs die interessierte Mehrheit
selbst als Vertragspartei auftritt.
IL. Der Begriff des Tarifvertrags, wenn man die Definition auf
den Thatbestand beschränkt, wird ferner bestimmt durch seine Form.
Er ist ein zweiseitiges Rechtsgeschäft, ein Vertrag; diesem Vertrag
sind sodann gewisse Personen als Kontrahenten eigentümlich; und end-
lich besteht wenigstens die eine Vertragspartei aus einer Mehrheit
koalierter Personen.
Durch das Erfordernis der Zweiseitigkeit, durch die Vertrags-
natur werden zahlreiche einseitige Willenserklärungen vom Begriff
des Tarifvertrags ausgeschlossen, die im Inhalt mit ihm überein-
kommen. Denn viele von den Lohn- und Arbeitsbedingungen, die
unter II, 3 erwähnt worden sind, werden für künftig zu schlielsende
Arbeitsverträge sei es von Dritten, sei es von der einen oder der
anderen Partei dieser Arbeitsverträge einseitig aufgestellt. Von diesen
unter mannigfaltigen Formen vorkommenden Erscheinungen ist bei
der Herkunft des Inhalts der Arbeitsverträge und in anderen Zu-
sammenhängen ausführlicher die Rede gewesen!. Jene einseitige ge-
nerelle Festsetzung kann besonders leicht bei solchen Arbeitsverhält-
nissen vorkommen, bei welchen auch ohnedies vermöge des Über-
gewichts der einen Partei und der grofsen Zahl von Bewerbern auf
der anderen Seite die letzteren einzeln nicht im stande sind, sich an
der Vereinbarung der Bedingungen zu beteiligen (S. 227. 228). .
Die Zweiseitigkeit der generellen Festsetzung ist für den Begriff
des Tarifvertrags nicht genügend. Denn die Vereinbarung eines Dritten
mit einer Partei der künftigen Arbeitsverträge über die Bedingungen
bildet keinen Tarifvertrag, mag der Dritte mit dem künftigen Arbeit-
geber oder mit dem künftigen Arbeitnehmer vereinbart haben *. Ebenso-
wenig haben wir schon da einen Tarifvertrag, wo eine Mehrheit künf-
tiger Arbeitgeber oder Arbeitnehmer sich unter sich über die in die
Arbeitsverträge aufzunehmenden Bedingungen einigt, wo also der Ver-
trag, der diese Bedingungen zum Inhalt hat, von den Genossen nur
einer Partei geschlossen wird. Die Herstellung einer solchen Gemein-
1 Oben S, 133, 184. 229 fg. S. auch noch Klien, Minimallohn S. 51.
171—79. 199 fg. 226—32.
2 S. 229% 487. Klien a. a. O0. S. 50. 169. 170.