Full text: Der Arbeitsvertrag nach dem Privatrecht des Deutschen Reiches (1)

770 VI. Abschn, Tarifvertrag. 1. Kap.: Thatbestand, 
verträge von Fabrikarbeitern (größerer Fabriken)!. Hingegen im 
Inhalt kommen beide einigermafsen überein, indem beide Bedingungen 
künftiger Arbeitsverträge generell festsetzen. Allein während der 
Tarifvertragsinhalt nur am zwingenden Recht und an den guten Sitten 
Schranken hat, sonst der Auswahl der Paciscenten unterliegt, ist der 
Inhalt der Arbeitsordnung gesetzlich geregelt (S. 232), indem manche 
Bedingungen des Arbeitsvertrags Aufnahme finden müssen, andere 
Aufnahme finden können, endlich manche von der Aufnahme aus- 
geschlossen sind (GewO. $ 134%°)% Die Angabe des Lohnbetrages, 
die in keinem Tarifvertrag fehlt und durch seinen Namen kund gegeben 
wird, gehört nicht zum obligatorischen Inhalt einer Arbeitsordnung ®. — 
Der Tarifvertrag ist kein Vergleich, wenn man mit diesem 
Ausdruck den gesetzlichen Begriff des BGB. 8 779* und nicht einen 
anderen unmafsgeblichen verbindet®. Hingegen ist es wohl möglich, 
daß zu einem Tarifvertrag sich ein Vergleich gesellt, indem die Um- 
stände, unter denen die Verhandlung stattfindet, auch den Stoff zu einem 
Vergleich darbieten *. Sonst und seinem Wesen nach ist der Tarifvertrag 
kein Vergleich, einerlei, ob er durch Vermittlung des Einigungsamtes 
oder ohne dieses geschlossen wird. Der „Weg gegenseitigen Nachgebens“ 
braucht beim Tarifvertrag nicht beschritten zu werden. Die Umstände 
! Dazu noch GewO. $ 154 Abs. 2. 8 139%, 
? „Unzulässig und unwirksam sind also alle Bestimmungen, welche, 
ohne in $ 184% Abs. 1 Ziff. 1—5 ausdrücklich genannt zu sein, weder die 
Ordnung des Betriebes noch das Verhalten der Arbeiter im Betriebe betreffen“: 
Koehne, Arbeitsordnungen S. 283. 
* Denn „Zeit und Art der Abrechnung und Lohnzahlung“, welche nach 
$ 134% Nr. 2 die Arbeitsordnung enthalten mufs, können ohne Angabe des 
Lohnbetrags enthalten sein. 
+ „Ein Vertrag, durch den der Streit oder die Ungewifsheit der Parteien 
über ein Rechtsverhältnis im Wege gegenseitigen Nachgebens beseitigt wird 
(Vergleich) . . .“ 
° Auch das GewGerGes. $$ 41. 57 hat bei „Vergleich“ den gesetzlichen 
Begriff im Sinne. . Es läfst aus dem Vergleich Zwangsvollstreckung statt- 
finden, wovon beim Tarifvertrag als solchem hinsichtlich seines wesentlichen 
Inhalts nicht die Rede sein kann. Der Tarifvertrag fällt unter das. was in 
88 70. 71. 73 „Vereinbarung“ genannt wird. 
® So endigte ein von einem Arbeitgeber gegen Holzarbeiter wegen 
Kontraktbruchs angestrengter Prozefs vor dem Gewerbegericht in München 
durch einen Vertrag, der nicht blofs einen Tarifvertrag, sondern auch einen 
Vergleich bildet: Die Firma K. & S. verpflichtete sich, bei normaler Arbeits- 
zeit und Arbeitsleistung ein wöchentliches Kontogeld von 24 Mk. zu bezahlen 
und die gegen die Arbeiter angestellte Klage zurückzuziehen. Dagegen er- 
klärten sich die Arbeiter bereit, den Streik aufzuheben und die Arbeit wieder 
aufzunehmen. Vorwärts vom 27. Febr. 1902.
	        
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