774 VI. Abschn. Tarifvertrag. 2. Kap.: Rechtswirkung.
Klage und KEinrede entblöfst, hindert die koalierten Arbeitnehmer
nicht, einen rechtswirksamen Vertrag mit einem Arbeitgeber, mit
mehreren einzelnen Arbeitgebern, ja auch mit einer Koalition von
Arbeitgebern abzuschliefßsen (S. 767). Ist doch auch der Kaufvertrag
über ein Haus, zu dessen Ankauf sich zwei Personen verbünden, nicht
darum ohne Rechtswirkung, weil etwa der Gesellschaftsvertrag dieser
zwei Personen ungültig ist. Wie die GewO. nicht gegen, so spricht
das GewGerG. für Dasein der Rechtswirksamkeit des Tarifvertrags.
Denn es wäre doch mehr wie seltsam, dafs dieses Gesetz das einigungs-
amtliche Verfahren, z. B. die Legitimation der Vertreter, die Publi-
kation der „Vereinbarung“, die „Unterwerfung“ unter den Schieds-
spruch, so eingehend ordnen würde ($$ 62—74), wenn es die Meinung
hätte, dafs eine solche Vereinbarung oder Unterwerfung blofs etwas
Faktisches, etwa nur moralische Folgen Erzeugendes sei.
Sieht man ferner, wie durch einseitige Verfügungen und durch
Verträge von Behörden mit einer Partei des Arbeitsvertrags eine
generelle. Regelung der Lohn- und Arbeitsbedingungen anerkannter-
mafsen rechtswirksam vorgenommen wird, und wie das Gleiche durch
obligatorische Arbeitsordnung für eine grofse Kategorie von Arbeits-
verträgen erfolgen kann, so hat man allen Grund auch für die Tarif-
verträge, welche die Parteien künftiger Arbeitsverträge miteinander
abschliefsen, Rechtswirkung in Anspruch zu nehmen.
Nur unter dieser Voraussetzung ist das Verhalten der Kontra-
henten eines Tarifvertrags erklärlich, das sich in folgenden Mafs-
nahmen kund giebt. Sie legen, soweit Arbeitgeber oder Arbeitnehmer
nicht in Person kontrahieren, großes Gewicht auf die Legitimation
des Vertreters, wollen damit sicher gestellt sehen, dafs der Vertretene
vom Vertrag ergriffen werde, sie sind um die Beurkundung (nament-
lich Unterschrift) und Veröffentlichung des Vertrags besoret?, ‚sie
‘ Wenn die Motive zum jetzigen 8 70 GewGerG. aussprechen, es könne
„durch äufsere Mittel nicht erzwungen werden“, dafs die Vereinbarung als
für die Arbeitsverträge mafsgebend von den Beteiligten anerkannt werde, so
ist zwar diese Äufserung unzutreffend, sie besagt aber auch nicht, dafs der
Motivverfasser dem Tarifvertrag keine Rechtswirkung beigemessen habe.
? z, B. Tarifvertrag der Maler in Kiel (Malerkalender 1902 S. 40): „Dafs
dieser Vertrag von beiden Seiten gehalten werden soll, dessen zur Urkunde
haben die Mitglieder der beiden Ausschüsse denselben eigenhändig unter-
schrieben.“ Verweigerung der Schriftlichkeit des: Versprechens der Arbeit-
geber Ursache eines Ausstandes, z. B. Bericht des Arbeitgeberverbandes
Hamburg-Altona f. 1899 S. 8/9. Bei dem durch Vermittlung des Einigungs-
amtes geschlossenen Tarifvertrag ordnet das GewGerG. die Beurkundung und
die Veröffentlichung: 88 70. 72.