IV. Persönlicher Geltungsbereich. AV. mit einem Aufsenstehenden. 795
geber und Arbeitnehmer für Tarifverträge seiner Art zu vereinbaren
pflegen. So wird die Üsance, welcher, wie wir sahen, der Tarifvertrag
Vorschub leisten kann, hier ihrerseits in den Dienst des Tarifvertrags
gestellt, und das unvollkommene Exemplar so ausgelegt, „wie Treu und
Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern“ (BGB. 8 157).
IV. Zu den Erfordernissen der Rechtswirkung eines Tarifvertrags
gehört aufser dem räumlichen und dem zeitlichen noch der persön-
liche Geltungsbereich, Welche Personen, wenn sie innerhalb des
räumlichen und des zeitlichen Geltungsbereichs eines Tarifvertrags
einen Arbeitsvertrag seiner Art schliefsen, werden von den Rechts-
wirkungen dieses Tarifvertrags betroffen? Dies ist die Frage nach
seinem persönlichen Geltungsbereich.
Die Rechtswirkung eines Tarifvertrags macht sich am Arbheits-
vertrag geltend, der unter ihm geschlossen wird. Der Arbeitsvertrag
ist ein zweiseitiges Rechtsgeschäft, die Rechtswirkung des Tarifvertrags
mulfs sich daher auf beiden Seiten des Arbeitsvertrags äufsern. Ein
Arbeitsvertrag kann nicht blofs für oder gegen den Arbeitgeber, oder
blofs für oder gegen den Arbeitnehmer unter dem Tarifvertrag stehen.
Es müssen vielmehr seine beiden Parteien dem persönlichen Geltungs-
bereich des Tarifvertrags angehören, wenn dieser ergänzend und mafs-
gebend den von jenen Personen ‚geschlossenen Arbeitsvertrag beein-
flussen soll. Wird von einem durch den Tarifvertrag betroffenen
Arbeitgeber mit einem aufserhalb des Tarifvertrags stehenden Arbeit-
nehmer, oder umgekehrt von einem durch den Tarifvertrag betroffenen
Arbeitnehmer mit einem Aufsenstehenden ein Arbeitsvertrag geschlossen,
so findet derselbe die etwa erforderliche Ergänzung nicht unbedingt
an dem Tarifvertrag, sondern nur unter der Bedingung, dafs die
Parteien diese Ergänzung beabsichtigt haben. Um so weniger ist der
Tarifvertrag für ihren Arbeitsvertrag unbedingt malsgebend, vielmehr
haben sie die rechtliche Möglichkeit, vom Tarifvertrag abweichende
Bestimmungen in den Arbeitsvertrag aufzunehmen. Gewifs hat die
vom Tarifvertrag betroffene Partei die Tarifvertragspflicht übernommen,
sich des Abschlusses tarifwidriger Arbeitsverträge zu enthalten (S. 776/7)
und hat sie diese Pflicht schlechthin, d. h. darf sie einen tarifwidrigen
Arbeitsvertrag auch nicht mit einem Außenstehenden eingehen!. Bei
1 In manchen Tarifverträgen wird dies auch ausgesprochen, z. B. Tarif-
vertrag der Maler in Kiel (Malerkalender 1902 S, 40): „Falls ein auswärtiger
Unternehmer hier am Orte Arbeiten ausführen läfst, so darf die hiesige
Gehülfenschaft bei demselben nicht unter den Satzungen des Tarifs arbeiten.“
Ähnlich Tarifvertrag der Maler in Lübeck 8 7 (a. a. 0. S. 41).