Full text: Kritik des Gothaer Programms

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Programmvorlage „vollkommen übereinstimme" und daß er Lieb 
knecht Nachgiebigkeit vorgeworfen hätte. (Bebel, Aus meinem Leben, 
Zweiter Teil, S. 334/35.) Nimmt man jedoch Bebels Broschüre „Unsere 
Ziele" zur Hand, so findet man in ihr vollkommen falsche Betrach 
tungen über den Staat: 
„Der Staat soll also aus einem auf Klassenherrschaft beruhenden 
Staat in einen Volksstaat verwandelt werden.“ („Unsere Ziele“, Ausgabe 
von 1SS6, S. 14.) 
So zu lesen in der neunten (neunten!) Auflage der Bebelschen 
Broschüre! Kein Wunder, daß die so hartnäckig wiederholten oppor 
tunistischen Räsonnements über den Staat von der deutschen Sozial 
demokratie aufgesaugt wurden, besonders da die revolutionären Er 
läuterungen von Engels vor der Welt geheimgehalten wurden, und 
die ganzen Lebensverhältnisse für lange Zeit von der Revolution 
„entwöhnten". 
DIE ÖKONOMISCHEN GRUNDLAGEN FÜR DAS 
ABSTERBEN DES STAATES 1 
Am ausführlichsten erörtert Marx diese Frage in seiner „Kritik 
des Gothaer Programms" (Brief an Bracke vom 5. Mai 1875, veröffent 
licht erst 1891 in der „Neuen Zeit", Jahrgang 9, Band I, in russischer 
Sprache als Broschüre erschienen). Der polemische Teil dieses be 
deutenden Werkes, der aus einer Kritik des Lassalleanertums besteht, 
hat seinen positiven Teil sozusagen in den Schatten gestellt, näm 
lich: die Analyse des Zusammenhangs zwischen der Entwicklung des 
Kommunismus und dem Absterben des Staates. 
1. Die Fragestellung bei Marx 
Bei einem oberflächlichen Vergleich des Briefes von Marx an 
Bracke vom 5. Mai 1875 mit dem früher erwähnten Brief von Engels 
an Bebel vom 18./28. März 1875 könnte es scheinen, als wäre Marx 
viel mehr „Staatsverehrer" als Engels und als bestünde zwischen den 
Auffassungen der beiden Verfasser über den Staat ein ganz erheb 
licher Unterschied. 
■ Engels empfiehlt Bebel, das ganze Gerede vom Staat überhaupt 
fallenzulassen, das Wort „Staat" gänzlich aus dem Programm zu 
1 In „Staat und Revolution“, V.Kapitel. Die Red.
	        
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