Full text: Kritik des Gothaer Programms

die Sozialdemokratie es verstanden hat, in dieser Zeit viel mehr a’s 
in anderen Ländern die „Legalität auszunutzen" und einen so gioi.. n 
Teil der Arbeiterschaft in der politischen Partei zu organisieren wie 
sonst nirgends in der Welt. 
Wie groß ist nun dieser höchste in der kapitalistischen Gesell 
schaft je beobachtete Teil der politisch bewußten und aktiven Lohn 
sklaven? Eine Million Mitglieder der sozialdemokratischen Partei —- 
von fünfzehn Millionen Lohnarbeitern! Drei Millionen gewerkschaft 
lich Organisierter — von fünfzehn Millionen! 
Demokratie für eine verschwindende Minderheit, Demokratie für 
die Reichen — so sieht der Demokralismus der kapitalistischen Ge 
sellschaft aus. Sieht man sich den Mechanismus der kapitalistischen 
Demokratie genauer an, so erblickt man überall, sowohl an den „ge 
ringfügigen", angeblich „geringfügigen", Einzelheiten des Wahlrechts 
(Ansässigkeitsmodus, Ausschließung der Frauen usw.) als auch an 
der Technik der Vertretungskörperschaften, den tatsächlichen Be 
hinderungen des Versammlungsrechts (die öffentlichen Gebäude sind 
nicht für „Habenichtse" da!) oder an der rein kapitalistischen Orga 
nisation der Tagespresse und so weiter und so weiter — überall, wo 
man hinblickt, Beschränkungen auf Beschränkungen des Demokratis 
mus. Diese Beschränkungen, Ausnahmen, Ausschließungen, Behinde 
rungen für die Armen erscheinen gering, besonders demjenigen, der 
selbst nie Not gekannt hat und mit dem Leben der unterdrückten 
Klassen in ihrer Masse nicht in Berührung gekommen ist (und das 
trifft für neun Zehntel, wenn nicht gar für neunundneunzig Hundert 
stel der bürgerlichen Publizisten und Politiker zu) — aber zusammen 
genommen bewirken diese Beschränkungen die Ausschließung, die 
Verdrängung der armen Bevölkerung von der Politik, von der 
aktiven Beteiligung an der Demokratie. 
Marx hat dieses Wesen der kapitalistischen Demokratie glän 
zend erfaßt, als er in seiner Analyse der Erfahrungen der Kommune 
sagte: den Unterdrückten wird in mehreren Jahren einmal gestattet, 
darüber zu entscheiden, welcher Vertreter der unterdrückenden 
Klasse sie im Parlament ver- und zertreten soll! 
Aber von dieser kapitalistischen Demokratie — die unvermeid 
lich eng ist, die sich die Armen im stillen fern vom Leibe hält und 
daher' durch und durch heuchlerisch und verlogen ist — führt die 
weitere Entwicklung nicht einfach, geradeswegs und glatt, „zu immer 
g " rer Demokratie", wie die liberalen Professoren und klein
	        
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