Full text: Die geistige Wendung des Maschinenzeitalters

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düngen nicht gebraucht, findet er nach wenigen Worten nur noch 
taube Ohren und verschlossene Herzen. Man stellt einfach fest, 
daß er ja nicht zur Organisation gehört und also auch nichts zu 
sagen hat. Genau so gibt es ein Register der Redewendungen, 
auf die der organisierte Landwirt hört. Es gibt weiterhin ein 
solches, auf das Angestellte und Beamte, Lehrer, Juristen und 
andere Berufsklassen sich zu hören gewöhnt haben. Es gibt auch 
ein Sprachregister national denkender Staatsbürger und eins für 
den christlich Denkenden der protestantischen oder katholischen 
Kirche. Es gibt schließlich auch ein Sprachregister des „richtig“ 
Denkenden, des logisch geschulten und wissenschaftlich gebildeten 
Menschen. 
Alle diese Sprachregister der bestehenden Organisationen zeich 
nen sich dadurch aus, daß sie mit einem bestimmten, mehr oder 
weniger umfangreichen Schatz von „stehenden“ Redewendungen 
und Sätzen arbeiten, die sogar bis in die Art des Tonfalls fest 
liegen. Man muß beispielsweise die kirchlich festgelegten Wen 
dungen einer protestantischen Ermahnung auch mit dem üblichen 
salbungsvollen Tonfall des Pfarrers, die marxistischen Bestand 
teile einer Parteirede mit dem halb anklagenden, halb drohenden 
Tonfall des Klassenkämpfers, die nationalistischen Bestandteile 
einer antisemitischen Hetzrede mit der flammenden Begeisterung 
des rassereinen Patrioten aussprechen. Denn wenn man auch bei 
sonst guter Beherrschung der Schlagworte jene Redewendungen 
mit eigenem Tonfall vorträgt, und sie sachlich Wort für Wort 
den eigentlichen Sinn entfalten läßt, wird man schon damit unter 
Umständen als Feind des Bestehenden erkannt und gestellt. Und 
wahrlich nicht mit Unrecht. Denn die wirksamste Weise, Schlag 
worte zu entkräften, ist, sie beim Worte zu nehmen und sie so 
in ihre urwörtlichen Bestandteile aufzulösen. 
In der Mechanik des heutigen Berufs- und Parteilebens sollen 
die wohlbekannten Wendungen, und zwar im vertrauten Tonfall, 
immer wieder Vorkommen und damit eben „unzweideutig die 
Zugehörigkeit zu der betreffenden Partei, Kirche oder sonstigen 
Denkart beglaubigen. Auch die wissenschaftliche Sprache, an der
	        
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