Gravidität.
Hysterische und epileptische Leiden pflegen ın der Zeit der Menstrua-
tion vermehrte Erscheinungen zu machen. Bei Imbezillen gewinnt das
ungebändigte Vorherrschen des Trieblebens eine erhöhte Ausprägung.
Aber auch richtige transitorische Psychosen, die sich nicht immer dem
grossen Sammelbegriffe Hysterie ohne weiteres zuzählen lassen, spielen
sich bisweilen ab... Namentlich sind es manieartige Erregungen mit
heftigen Zornausbrüchen und Neigung zur Gewalttätigkeit, die beobachtet
werden. Seltener haben solche vorübergehende Irrsinnsanfälle einen
mehr depressiven Anstrich. Übrigens gehören auch bei ausgebildeten
Psychosen vorübergehende Steigerungen der krankhaften Erregung im
Zusammenhange mit der Menstruation zu den regelmässigsten Erschei-
nungen. Praktisch wichtig ist die Erfahrungstatsache der erhöhten
Selbstmordneigung bei menstruierenden Frauen. Ferner wird über eine
gesteigerte Libido bei ihnen berichtet.
Nach alledem gewinnt man durchaus den Eindruck, dass zur
Zeit der Menses das weibliche Triebleben überhaupt lebhafter her-
vortritt, und wird es verstehen, dass verhältnismässig oft in diesem
Zustande Frauen zu kriminellen Handlungen neigen.
Nur höchst «selten sind es freilich wirklich zwangsartige Antriebe,
die sich da übermässig zur Geltung bringen, sondern meist liegt nur
ein Versagen der sonst vorhandenen Hemmungen vor. Es mag dann
wohl geschehen, dass z. B. bei Hysterie immer gerade zur Zeit der Menses
Diebstähle ausgeführt werden, während sich die betreffenden Frauen in
der Zwischenzeit zusammennehmen und ihre Begierden beherrschen.
Noch häufiger sind Gewalttätigkeiten infolge krankhafter Reizbarkeit.
Fast stets wird dann die genauere Prüfung ergeben, dass auch in der
freien Zwischenzeit ein gewisser Ansatz zu ähnlichen Triebneigungen
vorhanden war.
Das unregelmässige Eintreten und allmähliche Fortbleiben der
Menses im Klimakterium geht vielfach mit mannigfachen nervösen
Beschwerden einher: Herzklopfen, Wallungen zum Kopfe, Beklemmungs-
gefühl auf der Brust, Flimmern, Ohrensausen, Kopfschmerzen, Schwindel-
anwandlungen und Schlafstörungen werden da geklagt. Reizbarkeit und
weinerliches Wesen mit hypochondrischen Gedankengängen gesellen sich
gern hinzu. Ausgebildetere depressive Psychosen sind dagegen mehr
auf die allgemeine Involution (siehe S. 85) oder auf arteriosklerotische
Vorgänge zu beziehen. Die rein klimakteriellen nervösen Beschwerden
pflegen meist sich ziemlich bald wieder zu verlieren.
Lit. Nr. 178, 276, 341.
b) Gravidität.
Die weitgehenden Umwälzungen, denen der weibliche Organismus
in der Schwangerschaft ausgesetzt ist, bleiben ebenfalls nicht-ohne Rück-
wirkung auf das Nervensystem, speziell das Gehirn. Vermutlich sind
es neben reflektorischen Vorgängen, wie sie vom wachsenden Uterus
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