Entbindung.
c) Entbindung.
Bei sehr vielen Gebärenden ist der Geisteszustand gegen die Norm
verändert infolge der heftigen Wehenschmerzen, der starken körper-
lichen Anstrengung, der unbestimmten Furcht vor dem, was noch kommen
soll. Bei Erstgebärenden spielt ausserdem die Überraschung des Neuen
mit, bei unehelich Gebärenden vielleicht noch Gefühle von Scham oder
Angst vor Entdeckung. Jedenfalls dürfen wir voraussetzen, dass sich
das Weib während des Geburtsaktes recht häufig in einem Zustande mehr
oder weniger hochgradiger Erregung befinden wird. Tritt hierzu eine
von Haus aus vorhandene psychopathische Veranlagung, so sind die Vor-
bedingungen zur Entstehung transitorischer psychischer Ausnahmezu-
stände gegeben.
Gelegentlich entwickeln sich nur kurzdauernde traumartige Ver-
wirrtheitszustände (S. 153) mit ungenügender nachträglicher Er-
innerung an die stattgehabten Vorgänge. In anderen Fällen aber treten
masslose Zornausbrüche mit triebartiger Gewalttätigkeit oder plötzliche
Anwandlungen depressiver Art mit Selbstmordneigung auf. Noch
häufiger sind gewisse leichtere Störungen der seelischen Leistungen :
Apathie, Ratlosigkeit, Unfähigkeit, die Gedanken zu sammeln und zweck-
entsprechend zu handeln. Namentlich leicht imbezille Personen ver-
mögen sich mit ihrer schwierigen Lage bei. überraschend einsetzender
Geburt nicht abzufinden, geraten in kopflose Aufregung und begehen
Verkehrtheiten, die bis zum Kindsmord führen können.‘ Auch ihre Er-
innerung an die Einzelheiten vermag später stark getrübt zu sein.
Der Gesetzgeber hat auf diesen eigenartigen psychischen Zustand
bei unehelich Gebärenden Rücksicht genommen und im $ 217 St. G. B.
bestimmt:
„Eine Mutter, welche ihr uneheliches Kind in oder gleich nach der Ge-
burt. vorsätzlich tötet, wird mit Zuchthaus nicht unter 3 Jahren bestraft.
Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Gefängnisstrafe nicht unter
2 Jahren ein.“
Dagegen fehlt für ehelich Gebärende eine entsprechend milde
Bestimmung, obgleich auch hier ähnliche Ausnahmezustände vorliegen
können. Manche Gerichtsärzte vertreten die Anschauung, dass dieser
8 217 bereits alles umfasse, was medizinisch zugunsten einer Kinds-
mörderin, bei der nicht ausgesprochene Unzurechnungsfähigkeit im Sinne
des 8 51 bestand, angeführt werden dürfte. Ein soicher Standpunkt ist.
aber nicht haltbar. Es gibt zahlreiche Übergangsmöglichkeiten bis zum
Grade eines echten Dämmerzustandes und so mannigfache Abstufungen
hinsichtlich der Beeinträchtigung normaler Besonnenheit, dass jeder
Fall von Kindsmord, der in seinen Motiven nicht völlig
klar zutage liegt, von sachverständiger psychiatrischer
SQ