en Paranoischer Symptomenkomplex.
der „Verstandesverwirrung“ seines Sohnes einen gerichtlichen Nachlass-Kurator ein-
gesetzt hat. Nur dieser Vorsichtsmassregel war es zuzuschreiben, dass nach dem
Tode des Vaters das Vermögen nicht verloren gegangen ist, denn M, wird regel-
mässig in seinen manischen Erregungen von gesteigerter Unternehmungslust und
Kraftgefühl zu zwecklosen Ausgaben getrieben und hat nicht nur immer die Zinsen
regelmässig aufgebraucht, sondern auch von einer Klausel im Testamente Gebrauch
gemacht, nach welcher er zu Kurzwecken sein Kapital angreifen darf.
Eine noch grössere Gefahr liegt für ihn wie für seine Umgebung in der Tat:
sache, dass seine tobsüchtigen Erregungen in den letzten Jahren ständig an Heftig.
keit und Häufigkeit zugenommen haben. Diese Anfälle pflegen jetzt so plötzlich zu
beginnen, und so schnell einen bedenklichen Grad zu erreichen, dass es unmöglich
ist, den Kranken, falls er sich auf freiem Fussce befindet, vorher immer rechtzeitig
in die Anstalt zu schaffen. In der Erregung wird M. meist gleich sehr gewalttätig
und zerstörungssüchtig, hat auch wiederholt zur Schusswaffe gegriffen.
Ferner wird er, wie er selbst zugibt, in seinen Erregungen regelmässig von
sexuellen Ideen gepackt. Er verspricht weiblichen Personen die Ehe, macht ihnen
Geschenke, verlockt sie dadurch zu geschlechtlichem Verkehr. Nach Ablauf der Er-
regung, in seiner traurigen Verstimmung empfindet er Reue und bricht die Be-
ziehungen ab. Sobald jedoch wieder heitere Erregung einsetzt, vergisst er sogleich
alle Vorsätze und folgt blindlings seinen krankhaften Antrieben, die ihn dann un-
widerstehlich beherrschen.
Die grosse Gefahr, welche aus allen diesen Tatsachen für ihn und andere
entspringt, sieht M. wohl in seinen Depressionen und freien Zeiten ein und ist dann
mit seinem Aufenthalte in der Anstalt ganz einverstanden. Allein kaum meldet sich
eine Erregung, ändert sich sein gesamtes Verhalten: Er wird unzufrieden, recht-
haberisch, plant grosse Unternehmungen, verliert jede Einsicht, verlangt seine Ent-
lassung und ist durch Vernunftgründe nicht mehr zu beeinflussen. Ihn dann gegen
seinen Willen zurückzuhalten, ist nicht angängig, solange sich die Erregung noch
in mässigen Grenzen hält. Und doch sind gerade diese Zustände beginnender krank-
hafter Störung besonders gefährlich, weil hier M. auf Leute, die ihn nicht näher
kennen, den Eindruck des Normalen macht.
Dennoch ist er dann bereits unfähig sich zu beherrschen und plötzlichen An-
trieben oder Leidenschaften Widerstand zu leisten. Jede höhere Überlegung ist bei
ihm ausgeschaltet. Da diese Zustände leicht krankhafter Verstimmung in den letzten
Jahren sich sehr gehäuft haben und fast nur noch mit schweren, tobsüchtigen An-
fällen und mit Depressionen abwechseln, so muss M. zur Zeit als dauernd ausser-
stande angesehen werden, die Folgen seiner Handlungen zu beurteilen und seine
Interessen richtig wahrzunehmen.
Ich gebe daher mein Gutachten dahin ab:
Josef M. leidet an manisch-depressivem Irresein auf schwachsinnig
degenerativer Basis und vermag infolge von Geisteskrankheit im Sinne
des $ 6, 1 B.G.B. nicht seine Angelegenheiten zu besorgen.
4. Der paranoische Symptomenkomplex.
a) Zustandsbild.
Als Paranoia oder Verrücktheit bezeichnete die ältere Psychiatrie
eine Psychosenform, bei welcher es sich allgemein um das Auftreten
von Sinnestäuschungen und Wahnideen handelte, die sich zu
einer Art System zusammenschlossen, so dass der Kranke trotz er-
haltener Besonnenheit und formaler Logik gewissermassen in
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