Full text: Kurzgefasstes Lehrbuch der gerichtlichen Psychiatrie für Mediziner und Juristen

i Delirien und Verwirrtheit. 
nur vorübergehend mögen sich ängstliche oder zornmütige Erregungen 
einstellen. 
Weniger typisch sind die Delirien anderer Entstehung. Die eigen- 
tümlich traumhafte Bewusstseinstrübung mit unruhigem Umherkramen, 
Zupfen, Wischen und mit mannigfach wechselnden Sinnestäuschungen ist 
auch ihnen eigen. Sie zeigen fliessende Übergänge nach der nicht wie 
die Delirien nur Tage, sondern Wochen und Monate dauernden halluzi- 
natorischen Verwirrtheit (Amentia). Nach allen diesen Geistesstörungen 
pflegt mehr oder weniger weitgehender Erinnerungsausfall für die Zeit 
der Erkrankung zurückzubleiben, ja manchmal betrifft diese Amnesie 
auch die letzte Zeit, welche dem Ausbruche einer halluzinatorischen 
Verwirrtheit voraufging (retrograde Amnesie). 
b) Klinische Stellung der Delirien und der Verwirrtheit. 
Das oben geschilderte Delirium tremens geht mit Zittern und 
Schweissausbruch einher und findet sich nur auf dem Boden des chroni- 
schen Alkoholismus. Der Urin enthält Eiweiss. 
Bei den Delirien der Epileptiker finden sich zahlreiche hypochondri- 
sche Erscheinungen und grosse Reizbarkeit mit Neigung zu tobsüchtiger 
Gewalttätigkeit. KEigentliches Beschäftigungsdelir fehlt. Der Kranke 
kramt mehr zwecklos umher, wird bald von schreckhaften, bald von 
religiös-ekstatischen Halluzinationen und Wahnvorstellungen erfüllt, sieht 
sich in der Hölle oder im Himmel, beim Jüngsten Gericht, wähnt zu 
schweben oder zu fliegen, hält sich für den Messias usw. Die: Sprache 
ist öfter gestört: Lallen, Silbenstolpern, Einschränkung des Wortschatzes 
auf wenige Wendungen (amnestische Aphasie), Hängenbleiben am eben 
gebrauchten Worte (Perseveration), stereotypes Wiederholen desselben 
(Verbigerieren). Auch apraktische und agnostische Erscheinungen werden 
beobachtet. Der zeitliche Zusammenhang mit Krampfanfällen lässt sich 
meist nachweisen, 
Hysterische Delirien stellen sich vorwiegend dar als Remini- 
szenz- oder Wunschdelirien: Im ersteren Falle spielt die Erinnerung an 
irgend ein affektbetontes Erlebnis eine grosse Rolle in den Sinnes- 
täuschungen, und der Kranke glaubt immer wieder die gleiche, meist 
schreckhafte Szene von neuem zu durchleben, bringt sie dem Beobachter 
in theatralischen Gebärden und pathetischen Äusserungen zur An- 
schauung, ist dabei durch Zwischenbemerkungen suggestiv zu beeinflussen. 
Im anderen Falle glaubt er eine ersehnte Situation erreicht zu haben. 
Aussere Eingriffe wie Packung, Faradisieren können dieses Delir, das 
sich sonst festsetzt und sozusagen gewohnheitsmässig zu bestimmten 
Stunden bei bestimmten Gelegenheiten (Menses) wiederholt. unterbrechen 
und zu dauerndem Verschwinden bringen. 
Auch die Delirien im Verlaufe fieberhafter Erkrankungen 
tragen bald schreckhaftes, bald ekstatisch verzücktes Gepräge. Ängst- 
liches Fortdrängen, Angriffe auf die Umgebung, Selbstmordversuche sind. 
zu befürchten. Hier finden sich ganz besonders fliessende Übergänge 
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