Full text: Kurzgefasstes Lehrbuch der gerichtlichen Psychiatrie für Mediziner und Juristen

Dämmerzustände. 
dann kindisches Wesen mit unbegründetem Lachen und Weinen, verkehrten Ant- 
worten: 2X 3=8; 3X 4=25; nennt Fünfmarkstück „Blei“; zählt nur vorwärts aber 
nicht rückwärts; örtlich unorientiert. Wedelt mit den Armen, hüpft und behauptet, 
fliegen zu können, er werde viel Geld bekommen. Dann wieder versteckt er sich 
ängstlich; man wolle ihn schlachten; er habe keinen tot gemacht. Allmähliche Auf- 
hellung, hat keine Erinnerung an die Vorgänge der Erkrankung. 
3. Pathologische Rauschzustände. 
Unter pathologischem oder kompliziertem Rausche verstehen wir 
eine abnorme Reaktion des bereits vorher irgendwie krank- 
haft veränderten Gehirns auf Alkohol, so dass statt der auf 
S. 90 gewürdigten gewöhnlichen Betrunkenheit eine pathologische Be- 
wusstseinstrübung entsteht. Nicht auf die Menge des genossenen Alko- 
hols kommt es in erster Linie an! Diese kann sogar verhältnismässig 
gering sein. Auch keine blosse Intoleranz eines geschwächten Gehirns 
ist gemeint, so dass etwa nur der Rausch ungewöhnlich früh einsetzte. 
Vielmehr ist das allein Wesentliche die dem epileptischen Dämmer- 
zustande verwandte Bewusstseinstrübung, die auch bei einem 
nicht an Epilepsie leidenden Menschen durch Alkoholgenuss hervorge- 
rufen wird und mehrere Stunden anzuhalten vermag, um in der Regel 
mit tiefem Schlafe abzuschliessen. 
Der im pathologischen Rausche Befindliche kann sich eine ge- 
wisse Zeit unauffällig verhalten, bis er gereizt wird. Alsdann tritt 
als Charakteristikum eine hochgradige Verwirrtheit mit Hang 
zu brutalster Gewalttätigkeit und sinnlosem Zerstören her- 
vor. Meist besteht deutliche Verkennung der gesamten Situation, und 
Sinnestäuschungen können von Einfluss sein. In anderen Fällen bleibt 
das hervorstechendste Symptom die masslose Affekterregung (Wut und 
Angst) oder das Walten sinnloser Triebe, wodurch Handlungen verur- 
sacht werden, die mit dem gesunden Denken und Empfinden des Be- 
treffenden in schroffstem Widerspruche stehen. Nach dem Terminal- 
schlafe ist die Erinnerung an alle Vorgänge ganz oder grösstenteils 
ausgelöscht. Bemerkt sei, dass die Erregung des pathologischen Rausches 
gelegentlich erst bei brüskem Wecken eines nach reichlichem Alkohol- 
genuss Eingeschlafenen ausgelöst wird. 
Mehr ausnahmsweise steht bei dem pathologischen Rausche dauernd 
eine traumhafte Veränderung des Bewusstseins im Vordergrunde, 
während das Moment der Erregung mehr zurücktritt. Die Kranken 
handeln automatenhaft unter der Herrschaft eines aus dem gesunden 
Geistesleben herüberwirkenden Vorstellungskreises ohne Berücksichtigung 
der sie umgebenden tatsächlichen Verhältnisse (Alkoholischer 
Trance). Bei beiden Verlaufsarten schwankt, wie bei den Dämmer- 
zuständen. von Zeit zu Zeit der Grad der Bewusstseinstrübung, so dass 
160
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.