Full text: Kurzgefasstes Lehrbuch der gerichtlichen Psychiatrie für Mediziner und Juristen

2. 
täuschungen und wechselnde Wahnvorstellungen spielen mehr eine unter- 
geordnete Rolle. Die krankhafte Selbstüberschätzung vermag zu einer 
falschen Bewertung der Beziehungen zur Aussenwelt zu führen, so dass 
der Manische auf Grund seiner vermeintlichen Vorzüge eine höhere 
Lebensstellung beansprucht, sich sinnlich geliebt oder missgünstig zurück- 
gesetzt glaubt. Hartnäckiges Querulieren kann’ sich entwickeln. Nur 
bei den Mischformen findet sich vorübergehend Ausbildung eines förm- 
lichen Verfolgungswahnsystems. Viel häufiger sind illusionäre Personen- 
yerkennung und. Hang zu phantastischen Augenblickskonfabulationen. 
Dumpfes Krankheitsgefühl ist wohl zeitweise vorhanden, aber keine 
richtige Krankheitseinsicht. Der Geschlechtstrieb pflegt gesteigert zu 
sein. Männer geraten leicht in übermässiges Trinken. 
Die Dauer der Manie, beträgt in der Regel nur einige Monate 
bis 1 Jahr, kann sich aber, zumal bei älteren Personen, bis 2 Jahre 
hinziehen. In */s der Fälle ist mit Heilung zu rechnen. Gewöhnlich 
klingt die Erregung nur allmählich und unter häufigeren Schwankungen 
ab, ist vielfach gefolgt von einem kurzen depressiven Nachstadium mit 
dem Gefühle der Verzagtheit und leichter Niedergeschlagenheit. Je kürzer 
der manische Anfall dauert, um so mehr besteht die Gefahr, dass ihm 
ein ausgeprägter melancholischer Anfall sich anschliesst,. Bei hoch- 
gradigster manischer Bewegungsunruhe, welche das Bild der Tobsucht 
erreicht, ist das Leben gefährdet, indem entweder bei ungenügender 
Nahrungsaufnahme Kollaps eintritt oder entsprechende Behandlung der 
im Toben zugezogenen Verletzungen unmöglich wird. Ältere Leute sind 
der Gefahr einer Apoplexie ausgesetzt. Sehr selten ist der Übergang in 
eine chronische Manie. 
Je nach dem Grade der Erregung lassen sich unterscheiden: Hypo- 
manie, die leichteste Form, die von Laien in der Regel verkannt wird; 
Mania simplex, welche dem geschilderten ausgebildeten manischen 
Zustand (Seite 115) entspricht, und Mania gravis, die schwerste 
Form mit hochgradigster Tobsucht und deliriöser Verworrenheit. die 
forensisch keine nennenswerte Rolle spielt. 
Die häufigsten Strafhandlungen bei der Manie stellen sich als 
unmittelbarer Ausfluss des gehobenen Selbstgefühls mit Reizbarkeit und 
Vielgeschäftigkeit dar: Grober Unfug, Gewalttätigkeiten aller Art, 
Schwindeleien und (infolge des gesteigerten Geschlechtstriebs) sexuelle 
Vergehen. (Siehe S, 119—121.) 
Lit. vgl. Nr. 143, 264, 283, 298. 
b) Melancholie. 
Der Beginn ist ein mehr allmählicher; das oft Wochen und Monate 
dauernde Vorstadium kann fast unmerklich in die eigentliche De- 
‚20 Manie
	        
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