Geistesstörungen bei anderen organischen Gehirnkrankheiten. 253
und Hang zu kindischen Streichen, ferner die krankhafte Unruhe und
Reizbarkeit in erster Linie zu betonen.
Lit: Nr. 98; 125, 198, 218, 235, 333, 348.
Geistesstörungen bei anderen organischen Gehirn-
Krankheiten.
Auf die organischen Demenzzustände ist bereits auf Seite 177 kurz
eingegangen worden. Im allgemeinen gelten für sie in forenser Be-
ziehung die auf Seite 179 aufgestellten Regeln.
Bei multipler Sklerose, die namentlich im 2.—3. Lebensjahr-
zehnt sich entwickelt und in erster Linie körperliches Siechtum bedingt
(Nystagmus, temporale Abblassung der Papillen, skandierende Sprache,
Intentionstremor, Fehlen der Bauchreflexe, spastische Paraparese der
Beine mit hochgradiger Steigerung der Sehnenreflexe und Babinski,
Blasenstörungen, epileptiforme Anfälle), kommt es nur sehr allmählich
zur Ausbildung von Urteils- und Gedächtnisschwäche bei Euphorie und
kindisch-egoistischem Wesen. Selten finden sich vereinzelte Halluzi-
nationen, episodische Erregungen, Verwirrtheit, paranoide und hypo-
chondrische Wahnbildung, auch wohl Grössenideen. Wichtiger ist die
manchmal mit der Zeit einsetzende Charakterdegeneration mit Verlust
der sittlichen Vorstellungen und hemmungslosem Walten des Trieblebens.
Eigentums- und Sittlichkeitsdelikte werden dann in erster Linie beob-
achtet.
Bei der progressiven chronischen Chorea (Huntington), die
zu tieferer Verblödung führt, herrschen depressive Verstimmungen vor.
Doch vermag die krankhafte Reizbarkeit leicht zu Wutausbrüchen mit
Gewalttätigkeit zu führen,
Bei der Paralysis agitans bleibt die eigentliche Intelligenz in
der Regel unbeeinträchtigt. Dagegen können sich hypochondrische und
paranoide Wahnideen mit hoher Reizbarkeit bemerkbar machen.
Bei Gehirntumoren entwickelt sich manchmal ein amnesti-
scher Symptomenkomplex nach Art der Korsakowschen Psychose (vgl.
Seite 178). In anderen Fällen stellt sich eine symptomatische Epilepsie
ein, so dass ausser Krampf- und Schwindelanfällen heftige Erregungen
und richtige Dämmerzustände oder Delirien (Seite 150) auftreten und zu
entsprechenden Verkehrtheiten führen können.
Die forensische Bedeutung aller dieser seelischen Ausnahme-
zustände ist indessen gering, da es sich um körperlich sieche und auch
für das Laienauge deutlich kranke Menschen handelt.
Schwieriger zu erkennen sind manchmal die durch Schädigung der
Sprachzentren im Gehirne verursachten Zustände von Aphasıe, auf die
daher aus praktischen Gründen an dieser Stelle noch kurz eingegangen
werden mag. Wir reden von einer motorischen Aphasie, wenn Verlust
der Wortbewegungsbilder Stummheit bedingt, von einer sensorischen,
wenn durch Beeinträchtigung der Wortklangbilder für das gehörte Wort
das Verständnis verloren gegangen ist.