Full text: Kurzgefasstes Lehrbuch der gerichtlichen Psychiatrie für Mediziner und Juristen

- Traumatische Geistesstörungen. 
Die Bedeutung solcher Aphasie für ziyilrechtliche Fragen 
hängt in erster Linie von dem Umfange der gleichzeitig vorhandenen 
Geistesschwäche ab und wird daher weitgehend durch die Art der Grund- 
krankheit bestimmt. Insofern sind Aphasien bei Gehirnsyphilis, Arterio- 
sklerose des Gehirns, Dementia senilis usw. ganz anders zu bewerten als 
die durch Blutung bei Nierenleiden oder Embolie bei rheumatischer Endo- 
karditis hervorgerufenen Aphasien. Immer halte man sich vor Augen, 
dass die blosse Tatsache einer Aphasie an sich weder Geschäftsfähig- 
keit noch Zeugnisfähigkeit aufzuheben braucht. Indessen lehrt die Er- 
fahrung, dass bei solchen Gehirnkranken meist weitgehende Überermüd- 
barkeit und Übererregbarkeit bestehen. Namentlich die hohe Reizbarkeit 
mit Neigung zu Wutausbrüchen muss bei der strafrechtlichen Be- 
urteilung gebührend berücksichtigt werden, auch wenn keine erheblichere 
Geistesschwäche nachweisbar ist. 
Hinsichtlich der Testamentserrichtung stellen die $$ 2243 und 2238 
des B.G.B. für Personen, welche nicht sprechen oder lesen können, 
besondere Vorschriften auf. 
Lit. vgl. Nr. 68, 132. 
Traumatische Geistesstörungen. 
Nach schwerer mechanischer Gewalteinwirkung, welche den Schädel 
traf, ist immer mit der Möglichkeit zu rechnen, dass eine Verletzung 
des Gehirns durch Quetschung, Bluterguss oder Splitterung der spröden 
inneren Knochenschicht erfolgt ist. Herderscheinungen fehlen, wenn nur 
sogenannte stumme Stellen des. Gehirns verletzt wurden. In anderen 
Fällen wieder kommt eine Hirnerschütterung (Commotio cerebri) zu- 
stande mit Bewusstlosigkeit, anschliessendem Schwindel, Erbrechen, Kopf- 
schmerz, fehlender Erinnerung für die letzten Erlebnisse (retrograde 
Amnesie). 
An jede Kommotion kann sich ein deliranter Zustand anschliessen, 
auch wenn kein Alkoholmissbrauch getrieben worden war: Delirium 
traumaticum. Dasselbe ermangelt des für Trinker charakteristischen 
Humors, der leichten Beeinflussbarkeit der Visionen und zeigt statt Be- 
schäftigungsdelirs mehr triebhafte Erregungsausbrüche mit Hang zur 
Gewalttätigkeit und Selbstbeschädigung. Bei allmählicher Aufhellung 
stellt sich gern ein amnestischer Symptomenkomplex nach Art der Korsa- 
kowschen Psychose (Seite 178) ein. Nur steht der Verlust der Merkfähig- 
keit mehr im Vordergrunde des Bildes, während die Konfabulationen 
zurücktreten. Oder es entwickelt sich eine länger andauernde Verwirrt- 
heit mit Inkohärenz des Gedankenganges, Ratlosigkeit und mannigfach 
wechselnden Sinnestäuschungen und Wahnideen wie bei einer Amen tia 
(Seite 229). Seltener bedingen stuporöse Phasen, Stereotypien und 
754.
	        
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