Full text: Wilhelm Gerhard's Gesänge der Serben

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das Ländchen jemals gehabt hat, wurde im Juni 1868 von 
einer Bande Verschworener, angeblich Anhänger der Dynastie 
Kara-Georgewitsch, meuchlings ermordet. Auf den Thron ge 
langte Milan, der Großnefse des alten Milosch. Er trat an 
seinem 18. Geburtstage am 22. August 1872 als großjährig 
die Regierung selber an und hat sich 1875 mit einer jungen 
und reichen Rumänin verheirathet. Sein Krieg gegen die Türkei 
ist trotz russischen Beistandes unglücklich verlansen. Er ließ sich 
zwar von dem russischen General Tschernajess zum „König der 
Serben" proclamiren; allein, wie es scheint, hat ihn das 
Schicksal nicht dazu bestimmt, ein zweiter Duschan zu werden 
und das „Königreich" wiederherzustellen. 
Diese Skizze der serbischen Geschichte im neunzehnten 
Jahrhundert zeigt uns schon, daß das Land, obgleich es mit 
der Türkei nur noch durch den von ihm zu entrichtenden 
Jahrestribnt zusammenhängt, doch weit davon entfernt ist, zu 
einem definitiven Zustande der Ruhe, des Friedens und der 
Freiheit zu gelangen. Die ewigen Umtriebe imb Einmi 
schungen Rußlands, die mit unzureichenden Mitteln verfolg 
ten „großserbischen" Pläne, der Krieg zwischen den Dynastien 
„Obrenoivitsch" und „Kara-Georgewitsch", die endlosen wüsten 
und wiederwärtigen Partei-Umtriebe, welche sich fast aus 
schließlich um persönliche Interessen drehen, lassen das Land 
nicht zu einer gedeihlichen Entfaltung seiner wirthschaftlichen 
Kräfte gelangen; letztere wird auch verhindert durch jene Art 
Gütergemeinschaft, die sogenannte „Hauscommnnion", welche 
sich namentlich auf das Grnndeigenthum erstreckt und sich als 
dem intensiven Betriebe der Landwirthschaft inid Viehzucht 
wenig günstig erweist. 
Das jetzige Fürstenthum Serbien hat etwas weniger als 
tausend Qnadratmeilen Flächengehalt und etwas mehr als 
' eine Million Einwohner. Sein mehr als bescheidener Wohl 
stand hat in dem letzten Kriege unendlich gelitten. Die Steuer-
	        
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