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alt ist. Nicht wählbar aber sind Beamte und Advocaten.
Dagegen können letztere von der Regierung in die Sknpschtina
delegirt werden, was hänsig geschieht, so daß neben der „rusti
kalen" Beredtsamkeit auch die „höhere" platzgreift. Uebrigens
zeichnen sich die Debatten der Sknpschtina weder durch Höflich
keit noch durch Ordnung ans.
Unter solchen Umständen ist es begreiflich, daß in dein
Fürstenthum Serbien weder die Anhänglichkeit an die Dynastie,
noch das Staatsbewußtsein hoch entwickelt ist. Ich unter
scheide nämlich zwischen „Staats-Bewußtsein" und
„National-Bewußtsein. Letzteres ist ohne Zweifel vor
handen. Das Volk kennt heute itoch seine alten Helden, den
Duschan, den Marko und den Lazar. Die altserbischen Erin
nerungen sind auch heute noch in ihm lebendig. Dagegen
hat es wenig oder gar keine Lust, für die moderne Staats
idee Opfer zil bringen. Es interessirt sich mehr für die
Fainilie, für die Communion und die Gemeinde, als für den
Staat. Wenn darin ein Tadel gefunden werden soll, so will
ich ihn dadurch mildern, daß ich hinzufüge: Es war und
ist zum Theil ja auch in Deutschlaitd ganz ähnlich. Denken
wir nur nit unsere „Großdeutschen", welche gleichzeitig für
den extremsten und engsten Particnlarismns schwärmten und
für ein phantastisches „Großdeutschland", — für jenes „mittel
europäische Siebenzig-Millionen-Reich", welches mit dein idea
len „Großserbien" eine gewisse verhängnißvolleAehnlichkeithatte.
Jedenfalls dürfen wir über dein Unglück, welches gegen-
ivärtig schiver auf dem kleinen Serbien lastet, nicht vergessen,
daß die serbische Nation eine relativ große Vergangenheit
hat, und daß dieses Land auch in Zukunst berufen ist,
wenigstens »ach einer gewissen Richtung eine Rolle zu spielen.
Es hat nämlich den Sßenif, die türkischen Eisenbahnen, welche
bis jetzt von den Hafenplätzen ans als Sackgassen nach dem
Innern des Landes verlaufen und nirgends einen Anschluß