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An den Reichspräsidenten!
] n alten Zeiten, wo noch nicht das Schick
sal der Millionen Namenlosen, wo noch die
Zufallsmacht der Geburtsbevorrechteten den
Stoff hergab zu jenem Gewebe von Illusionen,
welches wir Menschen die Weltgeschichte
nennen, in jenen überalteten Zeiten, kannte
man ein wunderliches Verbrechen, um derent
willen Tausende von Wahrheitsuchern ver
blutet sind: „crimen laesae majestatis“, das
Vergehn der Majestätsbeleidigung.
achten die Herrscher über unser Heimat-
^ land in ihrer Menschlichkeit wie immer
beschaffen sein, — (Gewaltmenschen oder
Trottel, Schauspieler oder Gecken, Alltags
menschen oder Ingenien), — selbst die Seelen
kunde hatte zu verstummen vor der Gewalt
des historischen Mythos. Kein „Erkenne dich
selbst“ rührte an die Unfehlbarkeit des Gottes-
gnadentumes. Und dieSklavengesinnunngder
Massen,welche das Knie beugt vor bunten Stan
darten, rostigen Szeptern, vergoldeten Kronen,
nie aber versucht, hinabzudringen in die einge
borene Göttlichkeit der eigensten Seele, — diese
seelenflüchtige „Idolatrie“ verbot den freien
Geistern alle Kritik anderÜbereinkunftsIegen-
de: Geschichte. Man brandmarkte den, der die
jeweils herrschende Gruppe bekritelte, als Ver
räter an Geltung und Stoßkraft der Nation.