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I ch weiß nicht, Exzellenz, ob dieser Brief
um Gerechtigkeit je vor Ihre Augen, je vor
Ihr Bewußtsein gelangt. Er wird wohl wie
alles Gedruckte schnell spurlos versinken.
Wir Menschen beten alle nur so ins Blaue
hinein. Aber für die wenigen, die mich kennen,
lesen und verstehn, möchte ich zum Schluß
doch auch ein Letztes andeuten, das große
Rätsel, um das wir Philosophen seit je uns
bemühen.
Ich weiß es genau: die Geschichte ist eine
* Legende, ein Mythos, eine Lüge. Aber ich
glaube zu wissen, daß diese Lüge zu den
Notwendigkeiten des Lebens gehört. Ich
glaube zu wissen, daß ein Volk das Wunsch-
und Wesensbild, das es von sich selber dichtet
und dichten muß, sich nimmer betasten und
befingern, zerlegen und aufklären lassen
kann, ohne sich selber preiszugeben. Ich aber
habe an den Schlaf der Welt gerührt. So un
sinnig, gemein und niederträchtig das Han
deln des Pöbels gegen mich ist und so wenig
irgend ein Minister das Recht hat, über mich
das Urteil zu sprechen, das ich selber spreche,
in einem tieferem Sinne dürfte vielleicht selbst
in meinem Untergang ein Schicksalssinn
liegen. Und ich würde gern untergehn, wenn
das, für das Volk, das ich liebe, notwendig
wäre. Ich glaube, daß der Genius der Rasse
und Landschaft nicht nach Werten und nicht