über den fchöpferifchen Urgrund der Staatsverfaffungen 131
jo viel Erfolg Hatte] beruht die Kraft der hlirgerlidHen Gefege nur
auf einer Übereinkunft. Wenn es aber fein Naturgefeb gibt, das die
Befolgung der gefhaffenen Sefeke anbefiehlt, mozu dienen fie dann?
BVerfprehungen, Verpflichtungen, Eide find nichts als Worte; diefe
eitlen Bande find ebenfo leicht zu löfen wie zu Inlüipfen. Ohne die
Lehre von einem göttlidhen SGefeßgeber ift jede moralijdhe VBerpflich-
tung ein Unding. Gewalt auf der einen Seite, Ohnmacht auf der
anderen — das ift Das ganze Band der menfhHlidhen Gefellfchaft®).“
a3 ein weijer und tieffinniger Zheologe hier von der nıora-
lichen Verpflidhtung fagt, gilt ebenfo für die politijhe und bürger-
liche. Das Sefeß it nur dann wirkih Ge fe kB und befißt nur dann
wahrhaft Geltung, wenn man e8 aus einem höheren Willen ableitet.
Sein mwefentlicdhes Merkmal befteht alfo darin, daB es nicht der
Wille aller ift. Andernfalls mären SGefege, wie fhon gefagt, nur
Verhaltungsmaßregeln. Oder, wie der [Hon genannte Schriftfteller
fortfährt: „Diejenigen, welche die Freiheit hatten, jene Übereinkunft
zu freffen, haben fidh nicht der Macht begeben, fie zu widerrufen, und
ihre Nachkommen, die feinen Anteil daran Hatten, find noch weniger
verpflichtet, fie zu Halten!°).“ Daher kommt es, daß der gefunde Sinn
der älteflten Zeiten, der noch durch keine Sophiftit verdorben ift, die
Weihe der SGejege überall bei einer Üübermenfdhlicdhen Macht gefucht
hat. Er erkannte entweder, daß die Herridhermacht von Gott fomnmt,
oder er verehrte gewifje ungefhriebene Gejege al3 von ihm herz
rührend.
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Die Zujammen|teller der römifcdhen SGefjcge Haben ein fjehr be-
merkenswertes Bruchftüc der griechijhen SGejeggebung in an]pruch-
Lojer Weife in ihr erftes Kapitel aufgenommen. „Bon den Gefegen,
welche uns regieren,“ heißt es dort, „find einige gefdhrieben, andere
ungefchrieben.“ Nichts ijt einfacher und tieffinniger. ft irgendein
türfijches Gejeß bekannt, daz dem Herrjdher ausdrüclich erlaubt,
einen Menfchen unmittelbar, ohne gerichtliche Ent{hHeidung, hinrichten
zu Iajfen? Gibt es ein geh riebenes Gefes, Jelbit ein religi’fes,
das dies den Herrichern der Chriitenheit verböte11)? Dennoch mundert
9) Bergier, Traite hist. et dogm. de la Relig., OftavausSgabe,
Bd. IN, Kap. IV, 8 12, S. 330. (Nah Tertullian, Ahol. 45.)
10), Bergier, ebd.
11) „Noch ftrenger als die hlüirgerlidhen SGefjege verbietet die Kirche
iören Kindern, fih felbjt ihr Redt zu verjdhaffen. Der Geijt der
Stirche ijt es, der die Hriftlichen Könige, felbjt bei Verbrechen gegen ihre
Berjon, davon zurüchhalt und ihnen gebietet, die Schuldigen dem er
zu überliefern, um fie nad) den Gefeken und Formen der Juftiz abzıt-
urteilen.“ (Bascal, Vierzehnter. Provinzialbrief.) Diefe Stelle i{t fehr
wichtig und follte in einen: anderen Buche iteben.