Einführung
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war, mußten fidh die deutf{dhen Literaten zum großen Teil erft auf
dem Wege der Einfühlung erarbeiten. Mit diefer IhHeoretifchen
Veiftung war ihre feelijdhe Energie gleichfjam erfhöpft. Sie ver-
fielen daher jehr fOhnell einem goubernementalen DYıurtietismus und
mußten e8 dem cHriftlich-germanijcdhen Kreis Üüberlafjen, ihre Zheo=
rien mit der Stoßkraft eines unmittelbar ariftokratijdhen Empfindens
zu realifieren.
Und. noch einen weiteren Borzug hatte der franzöfijdhe Tradi-
tionalijt vor dem deutfhen KRomantikfer voraus. Er war nicht nur
Edelmann, fondern er war auch Katholif von Geburt. Das Kkatho-
li[jdde Dogma bot dem traditionalijtijhen Denker ein Strombett, in
daß er fein Lebensgefühl nur zu ergießen brauchte, um c3S bis in
jeine leßten metaphyfifjden Konfjequenzen auszugejtalten. Fa, der
Traditionsgedanke der Kirche entfaltete im Fortgang der ge[hicht-
lien Entwidlung eine foldhe Wucht, daß er das urf[prünglich donti-
nierende ariftofratijdhe Lebensgefühl des Iraditionalismus bald
böllig überwucherte und in den Hintergrund drängte. Schon bei
de Maijtre, bei dem fih beide Denkmotive, das arijtokratijdhe 1110
das religiöfe, noch die Wage halten und der deshalb der eigentliche
Klafjifer des Traditionalismus genannt werden kann, durchdringen
lich die beiden Clemente zu einer fo volllommenen Einheit, daß cs
nahezu unmöglich erfcheint, fie reinlicdh zu fcheiden. Sinzig der
Umftand, daß fie nicht gleichzeitig ihren größten Wirkungsgrad cni-
jalteten, gibt uns das Recht, fie ziweds ftärkerer Berdeutlichuung ihrer
Eigengefeglichfeit voneinander zu fondern.
Das zeitlich frühere Denimotiv innerhalb der traditionalijtijchen
Dofktrin ift das ariftokratijdhHe. €3 taucht in erften feimhaften An-
jäßen auf, als in Frankreidh der Kampf zwifchen Königsgewalt und
Adel beginnt, und nimmt dann im 16. und 17. Jahrhundert, je
nach der allgemeinen geiftigen Haltung des BHeitalter8, die verfie-
denften theoretifjhen Formen an. Eine eindeutige Konfijtenz aber
erhält das traditionalijtijdhe Lebensgefühl erft in dem Augenbhlid,
wo fih fein Gegner, der abfolutijtijhe Staatsgedanke, in der Perfon
Audvigs XIV. zu einem gleichfjanıt Förperlidhen Ausdruck verdichtet.
SErit in diejem GHerr{cher, deffen Werk freilich nur der Schlukßitein
einer langen Entwicdlung it, entftand jener Königstypus, der für
da3 ganze Woeendland vorbildlih. wurde, weil er fih auf einent
Srundwert aufbaute: der Macht in der fpezifijh pathetifjdhen Form
der Erhabenheit. Der AWbfolutismus des Sonnenkönigs, wie er
durch Boffuet eine nahezu dicdhterifjhe Ausprägung erfuhr, ftellt eine
Anwendung der gefamten Herr{chenden BZeitftrömungen, der relis
giöjen mie der wiffenfHaftlichen, auf das Politijdhe Leben dar.
Bofluet: verfichmilzt die altteltamentarijhe Staatsauffaffung Des