die Richtung der produktiven Tätigkeit dieser Kirche höchst charak
teristisch bezeichnen. Da bekommt die lutherische Kirche nur zwei,
die Brüdergemeinde (Herrnhuter) und die Neue Kirche (Sweden-
borgianer); beide haben jedoch, obgleich auf lutherischem Boden
entstanden, mit ihrer lutherischen Eigentümlichkeit auch in der re
formierten Kirche fröhliches Gedeihen gefunden, während keine
der reformierten Sekten sich jemals in der lutherischen Kirche an
siedeln konnte, die überhaupt nach ihrer Eigentümlichkeit keine
Sekten dulden kann. Die Menge der reformierten Sekten ist unge
heuer und im eigentlichen Sinne des Wortes unzählbar.
Es scheint, daß das unaufhörliche Produzieren neuer Sekten,
die wie Pilze aus dem Boden der reformierten Kirche aufschießen
und oft eben so schnell wieder verschwinden, zur Erhaltung des
Lebens und der Gesundheit der reformierten Kirche gehört; wenig
stens sind a l l e Sekten immer von demselben Prinzip aus
gegangen und haben das reformierte Reforinations-Prinzip und
Verfahren nur noch konsequenter durchzuführen gesucht; darum
muß die reformierte Kirche sie auch alle als echte Kinder aner
kennen, mögen diese immerhin entartet sein. Ich will hier nur an
die wichtigsten Sekten erinnern: die T a u f g e s i n n t e n (Geg
ner der Kindertaufe), welche in fast ununterbrochener Reihenfolge
aus der reformierten Kirche, zuerst in der Schweiz als Wieder
täufer, dann in Niederdeutschland als Mennoniten, dann in Eng
land und Amerika als Baptisten und zuletzt wieder in der Schweiz,
zugleich selbst wieder in unzählige kleinere Sekten geteilt, entstanden
sind: ferner die (echt reformierten) Socinianer, die Arminianer,
die Presbyterianer Englands, die Independenten, die Quäker, die
Methodisten 2c.
Wir können die beiden Parteien aber auch noch von einem
anderen Standpunkte aus betrachten, nämlich folgendermaßen: von
der papistisch-römisch-katholischen Kirche trennten sich zur Zeit der
Reformation ganze Länder und einzelne Personen und stifteten
eine Menge verbesserter (reformierter) Kirchen, von
diesen hat sich eine Kirche, die bedeutendste, größte und wichtigste,
nach dem Namen ihres Stifters: die lutherische Kirche
genannt, während alle andern, jeden Parteinamen verschmähend,
sich blos reformierte Kirchen nannten. Die lutherische Kirche trat
bald in ihrer speziell lutherischen Eigentümlichkeit gegen die übrigen
reformierten Kirchen und Sekten in entschiedene Opposition, und an
Ansehen rmd Kraft den übrigen zusammengenommen gleichkommend,
bildete sie sich in ihrer lutherischen Eigentümlichkeit voll
ständig aus. Diese lutherische Eigentümlichkeit soll nun mit der
reformierten verglichen werden. — Diejenigen Landeskirchen, welche
sich nach ihren Prinzipien am selbständigsten und konsequentesten
ausgebildet haben und dabei jetzt noch die blühendsten sind, sind
auf lutherischer Seite: Württemberg, auf reformierter Seite:
Schottlands Nationalkirche.
Die Vergleichung der beiden Kirchen nach den Prinzipien,
aus denen sie entstanden, wird uns natürlich in ihre Geschichte
zurückführen, und wir müssen uns daher ziemlich lange bei der