Full text: Die religiöse Eigentümlichkeit der lutherischen und der reformierten Kirche

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fest an der kirchlichen Obrigkeit; so lange er nur konnte, 
wollte er dieser gerne alles einräumen, wenn sie nur ihn und die 
Christenheit das Evangelium frei bekennen und lehren lassen wollte, 
unterwarf sich im Anfange mehrmals auf das demütigste dem 
Papste und fühlte sich auch später noch (1530) mit Melanchthon 
verpflichtet, den Bischöfen ihre geistige Gerichtsbarkeit wieder 
einzuräumen, wenn sie nur das Evangelium freilassen wollten, 
wogegen jedoch gerade die freieren süddeutschen Reichsstädte aufs 
entschiedenste protestierten. So blieb Luthers Reformation, nach 
dem sie die radikalen imb fanatischen Bewegungen Carlstadts, der 
empörten Bauern und der Wiedertäufer ausgestoßcn und mit aller 
Gewalt des Wortes und des Schwertes unterdrückt hatte, stets in 
den Grenzen der Monarchie und sie selbst in Bezug auf den Staat 
eine monarchische, in Bezug auf das Kirchenregiment eine hierar 
chische. Alle lutherischen Reformationen, von Preußen bis Eng 
land, von Württemberg bis Schweden gingen von den F ü r st e n 
und Königen aus, der Adel war überall einer der eifrigsten Be 
förderer derselben, während das Volk sich ruhig und geduldig 
von feiner Obrigkeit das gebe n ließ, was es bedurfte imb ohne 
große Umwälzungen erhielt, während die reformierte Reformation 
in allen Ländern, wo sie eindrang, in der Schweiz, Frankreich, 
Niederlanden, Schottland, Polen, von revolutionären Bewegungen 
begleitet war und die bestehende Staatsverfassung und selbst die 
Throne entweder umänderte oder unaufhörlich heftig erschütterte, 
indem sie entweder eine liberalere Verfassung erzwang wie in der 
Schweiz, in den Niederlanden, in Schottland und England, oder 
sich den sie unterdrückenden Fürsten mit den Waffen in der Hand 
widersetzte wie in Frankreich, Belgien und England. 
Die reformierte Reformation war durchaus eine demokratische, 
ja im Anfang bedeutend mit politischen Elementen versetzt. Zwingli, 
Oekolampadius und alle ihre Freunde waren durchaus Söhne der 
Freiheit, erklärte Gegner aller Aristokratie, Monarchie und Hierar 
chie und besonders Zwingli im Anfang eben so sehr Patriot als 
Theolog, ja aus Patriotismus ein Reformator. Er und Haller 
und Mykonius eiferten eben so sehr gegen das verderbliche Reis 
laufen und die schmachvollen Pensionen*), wie gegen die päpst 
lichen Mißbräuche, und eine der ersten Früchte der Reformation 
war immer das Verbot dieser furchtbar eingerissenen bürger 
lichen Mißbräuche. Das Volk war hier souverain und for 
derte daher kraft seines Rechtes die Reformation, und der Rat 
ging nun entweder in vollkommener Unabhängigkeit alsbald v o l l- 
k o m m e n ein in die geforderte Abstellung der Mißbräuche, oder 
n a h m sich mit revolutionärer Gewalt, was man ihm ohne Recht 
verweigert hatte, und setzte so eine in jeder Hinsicht echt repub 
likanische Reformation und Kirchenverfassung durch, oft 
noch liberaler als die politische Verfassung, welche daher in den 
*) Rciselaufcn, die alte unheilvolle Sitte der Schweizer, in fremde Kriegs 
dienste zu gehe». — Unter dem Titel von „Pensionen" ließen sich die vornehm 
sten, einflußreichsten Schweizer bald vom Papste, bald von Frankreich durch fremdes 
Gold für fremde Interessen gewinnen.
	        
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