und seiner Mäßigkeit, seiner Wissenschaften und seines Handels,
seiner feinen Sitten und seiner alle Volksklassen durchdringenden
Bildung. Und wenngleich das Genf des 19. Jahrhunderts nicht
inehr das alte ist, wenn es besonders Calvins christlichen Geist
nicht mehr zu verstehen scheint, so macht doch die Sittlichkeit, die
Einfachheit, die Klarheit des Volkscharakters auf jeden Fremden
ben ausgezeichnetsten Eindruck. Aber nicht nur an Genf haftete
dies Gepräge biblischer Sitte, das die reformierten Reformatoren
ihrer Kirche unauslöschlich aufdrückten; es verbreitete sich auch
nach Frankreich, Holland und den Rheinlanden, wo sich der Re
formierte von dem Katholiken auf's vorteilhafteste durch sittlichen
Ernst auszeichnete. Ganz besonders aber verflanzte Knox den
selben Geist nach seinem Schottland, das vor allen Ländern Euro
pas durch gleichmäßige Bildung und durch die strengste Sittlich
keit sich auszeichnet. So fand ich z. B. auf Erkundigung kein
Beispiel von Ehebruch; von Hurerei in verschiedenen Gemeinden
in 7 Jahren 3 Fälle, in 12 Jahren 4, in 26 Jahren 2; viele
Prediger wußten aus ihrer Amtsführung keinen solchen Fall nam
haft zu machen; umsonst fragte man weit und breit nach Beispie
len von, Ehescheidung. Und nun vergleiche man die schreckliche
Unsittlichkeit in Deutschland, auf dem Lande wie in den Städten;
man frage nur die Prediger, und man wird erstaunen und er
schrecken. Und selbst die schreckliche Verwirrung und Auflösung
aller bestehenden Verhältnisse zur Zeit der englischen Revolution
hat diesen sittlichen Ernst der Presbyterianer keineswegs vernich
tet. „Vielmehr wurden erst durch die Revolution Einfachheit,
Ernst, Gesetztheit, Mäßigkeit, Nüchternheit, Enthaltsamkeit herr
schend. Es wurden scharfe Gesetze gegen das Laster gegeben, die
den Ernst der Regierung (Cromwell's) verkündeten; sie unterdrückte
alle Gattungen von Spiel, Schauspiel und verführerischen Häusern;
die Geistlichen bemühten sich, Vorbilder ihrer Herde zu werden
in einfacher, reiner Lebensweise. Das Gegenteil kehrte mit der
Rückkehr des Hofes (Carl's II. 1660) ein. Die Gesetze Wider
das Laster wurden ungültig; die (bischöfliche) Geistlichkeit erstrebte
Rang, Reichtum und äußeren Glanz, um zu imponieren; Schau
spielhäuser wurden errichtet, und, was bis dahin in England un
erhört gewesen — mit Schauspielerinnen ausgestattet;
die unanständigsten Stücke aufgeführt; strenge Sitte und Gottes
furcht ward lächerlich gemacht, und wer an ihr hielt,
mit dem Namen ¡eines P r e s b y t e v i a n e r s,
Schwärmer s, Rebellen verunglimpft; Unglaube,
Religionsspötterei, Ueppigkeit, Verschwendung wurde die Losung
der Royalisten." „Unter den Dissenters (Gegnern der bischöflichen
Kirche) herrschte im ganzen mehr Gottseligkeit, Sitten-Einfachheit
und -Strenge, Eifer und christliches Wohlwollen als unter den
Bischöflichen . . . Im Innern der Familien herrschte strenge
Ordnung, Arbeitsamkeit, Nüchternheit, Mäßigkeit und im ganzen
Abneigung gegen die weltlichen Vergnügungen wie Spiel, Thea
ter, Tanz, deren sich gar viele aus Grundsätzen gänzlich enthielten."
Diese Abneigung gegen die weltlichen Vergnügungen beruht auf