Full text: Die religiöse Eigentümlichkeit der lutherischen und der reformierten Kirche

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Als erwählte Aeltcste, als Mitglieder des Sittengerichts, unter 
ziehen sich die Laien meistens mit Freuden unter großen Opfern 
den Arbeiten und Lasten ihres unentgeltlichen Ehrenamtes und 
beweisen in der Leitung der Gemeinde- und Kirchenangelegcn- 
heiten, auf Synoden und Generalsynoden oft eine Erfahrung und 
Umsicht, eine tüchtige und gründliche kirchliche Bildung, die den frem 
den Lutheraner in das größte Erstaunen versetzt. In der Schweiz 
haben bei den öffentlichen Disputationen häufig Laien präsidiert 
und mit Sachkenntnis entschieden. Die Westminsterkonfcssion in 
Schottland ist von 4 Laien und 3 Geistlichen verfaßt, und das 
ganze Volk hängt mit bewußter, treuer Liebe an ihr. Auf der 
Dortrechter Synode waren 20 Aeltcste. Laien sitzen in Schottland, 
in Holland und am Rhein in allen Instanzen der Kirchenverwal 
tung, ja es wird in Schottland als das Zeichen des Nachlasscns 
des kirchlichen Eifers angesehen, daß sie weniger pünktlich kommen 
als die Geistlichen. Daß dies Laienregiment auch ganz unnütz 
werden kann, wenn man keine gediegenen Subjekte dazu hat, oder 
gefährlich, wenn sie oder die Prediger ungläubig sind, davon ge 
ben die Schweiz, wo die traurigste Willkühr herrschte, Frankreich, 
wo es nicht viel besser aussah, und in Deutschland das Verfahren 
der reformierten Synode Niedersachsens und der Braunschweiger 
Gemeinde gegen Geibel traurige Beweise. Am wenigsten kann sich 
jedoch der Lutheraner in solche Verfassung schicken. Daher haben 
auch die lutherischen Synoden der Grafschaft Mark, ungea ch- 
t e t es in ihrer K i r ch e n o r d n u n g v e r o-, r d n e t 
w a r, niemals Laienältesten zu den Synoden zugelassen 
Die Wahl eines Predigers erhält durch diese kirchliche Frei 
heit und Selbständigkeit des Laien die höchste Wichtigkeit für ihn. 
In Schottland haben manche Gemeinden sich lieber separiert und 
ihre Kirche und ihr Kirchengut geopfert, um sich nur nicht Anen 
von ihnen nicht gewählten Prediger von dem Kirchenpatron setzen 
lassen zu müssen; weshalb sich auch eine Gesellschaft gebildet hatte, 
um durch Geld dieses Patronatrecht allmählich abzulösen. Die 
Wahl eines Predigers am Rhein führte oft zu den traurigsten Er 
zessen und rief gewöhnlich eine gewaltige, oft sehr traurige Auf 
regung, die einem hitzigen Fieber vergleichbar ist, hervor. Doch 
ist eine solche Ausartung immer ein Zeichen eines wirklich vor 
handenen, im ganzen erfreulichen Gemeindelebens, unb es ist dies 
immer noch besser, als wenn in lutherischen Landen die Gemein 
den nur zu häufig mit stumpfer Gleichgültigkeit ihren Prediger sich 
setzen lassen und sogar nichts weniger als freundlich empfangen, 
während das Abholen des erwählten Predigers mit Wagen und 
Reitern am Rhein immer ein großes Fest ist, das sich die Ge 
meinden nicht leicht nehmen lassen. 
Die völlige Emanzipation der Laien hat sich aber auch bis 
zu klar bewußter christlicher Selbständigkeit der Frauen ausgebil 
det, deren bedeutender Einfluß auf das Gemeindeleben in refor 
mierten Ländern nicht zu verkennen ist. Schon zur Zeit der Re 
formation traten in der Schweiz und in Frankreich die Frauen 
sehr häufig handelnd auf, anfangs mitunter fanatisch- gegen dm
	        
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