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als den in der Bibel gebotenen Sabbat; diesen dagegen aber auch
pünktlich nach dem Gebot Gottes, mit der äußersten Strenge gern
und freudig feierte, wodurch sich die reformierte Kirche aller Or
ten aufs das vorteilhafteste von den lutherischen Landen auszeich
net. So finden wir in der reformierten Kirche nicht nur alsbald
alle unbiblischen Apostel- und Marientage abgeschafft (welche die
lutherische Kirche bis in die neueste Zeit gefeiert hat und zum
Teil auch jetzt noch feiert), sondern sogar auch anfangs die hohen
Festtage: Weihnachten, Ostern, Pfingsten, welche die schottische
Kirche (und manche Sekte) immer noch nicht feiert, weshalb ein
echter Schotte kaum weiß, wann Ostern ist. Die andern refor
mierten Kirchen haben sich dagegen allmählich zur Annahme der
hohen Festtage, (jedoch immer nur schwer zu den aus Wochentage
fallenden Himmelfahrts- und Charfreitagsfesten) entschlossen und
niemals eine dreifache Feier der hohen Festtage zugelassen,
während die Lutheraner sich immer noch nicht den gesetzlich ab
geschafften dritten Feiertag und die zu halben Feiertagen gemach
ten Apostel- und Marientage nehmen lassen wollen und mitunter
in dieser Reduktion einen Eingriff in ihre kirchliche Freiheit se
hen und daher auch wohl sogar eine kirchliche Feier solcher Tage
erzwingen. Auch die weit größere und allgemeinere Feier des
Reformationsfestes beweist den Sinn des Lutheraners für kirch
liche Feste. Die Reformierten haben dagegen die bürgerliche Seite
der christlichen Feste gegen die kirchliche hervorgehoben. Der höchste,
heiligste und mit außerordentlicher Teilnahme gefeierte Festtag der
Schweizer ist der jedes Jahr ausdrücklich von der Obrigkeit aus
geschriebene, eidgenössische Buß-, Bet- und Danktng. Auch in
Schottland und Holland und am Rhein wurden solche (ursprüng
lich: allgemeine Landes-) Buß- und Beilage mit großem Eifer
gefeiert, und die reformierten Gemeinden am Rhein sträubten sich
lange gegen die Abschaffring ihrer vier Bußtage, obgleich sie
nur als P r i v a t-Bußtage angesehen werden konnten. Das bür
gerliche Neujahr wird in den reformierten Gemeinden mit großer
Teilnahme, gewöhnlich mit einem vorhergehenden Abendgottesdienste
gefeiert; wogegen die Luthereaner es lange Zeit meistens nur als
Beschneidungsfest Christi feierten, während die Reformierten das
k i r ch liche Neujahr, was mit dem ersten Advent begimrt, igno
rierten.
Die verschiedene kirchliche und biblische Frömmigkeit der bei
den Kirchen hat jedoch nicht nur die äußere Fcstfeier wesent
lich modifiziert, sondern auch den sonntäglichen Gottesdienst selbst.
Es hat nämlich das puristische Streben der Reformierten nach
biblischer Einfachheit und verständiger Nüchternheit im Kultus
und im ganzen Leben auf die verschiedene Ausbildung der
g e i st l i ch e n Poesie der beiden Kirchen den entscheidensten
Einfluß gehabt.
Wir sind hier zu einem der herrlichsten Vorzüge der lutheri
schen Kirche gekommen. In ihr hat nämlich die christliche Fröm
migkeit, von Luther, dem „Vater und Meister der evangelischen
Liederkunst und des deutschen Gesanges," beginnend, den uner