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Jesuit herstellt, um gegen beide im Clairobskur einer
realistisch ausgedeuteten (wohl kaum verstande
nen) Philosophie der Scholastiker zu polemisieren, das
scheint man bei der Linken, aber auch auf katho
lischer Seite übersehen zu haben, sonst wären
panegyrische Artikel aus ihn nicht möglich gewesen.
Wohl ist Thomas Mann kein Antisemit im Vulgärsinne.
Aber als typische Erscheinung jenes liberalen Intellek
tualismus, der mit allem sittlich Destruktiven gern
eine Verbindung eingeht — und der Antisemitismus
ist moralisch betrachtet eine Destruktion — und aus
diesem Gefühl heraus sich den Zeitgenossen als Wohl-
versteher in empfehlende Erinnerung bringt, muß er in
den hier aufgezogenen Zusammenhängen gewertet
werden.
Was mit diesen Feststellungen gemeint ist? D i e
Hervorhebung der Tatsache, daß Links
richtung für das Judentum weder eine
politische noch eine moralphilosophische
Assekuranz für das Judentum bedeutet.
Und diese Tatsache sollte unseren jüdischen Volks
genossen zu denken geben. Auch den liberalen und ganz
links gerichteten. Wie ich mit allem Nachdruck immer
wieder darauf hinweise, daß das Jüdische kein Accent
gravis für die Linksrichtung bedeutet, und daß die poli
tisch, literarisch und philosophisch links gerichtete Tätig
keit der Juden aus der nämlichen Ueberzeugung und
Einstellung kommt, wie sie für jeden deutschen Link
ser verpflichtend ist — daß er also diese Haltung
einnimmt, nicht weil er Jude, sondern weil er libe
ral ist —, so muß der jüdische Volksgenosse zu der Auf
fassung kommen, daß das weltanschauliche Rechts
— die heutige politische „Rechte" steht weltanschaulich
keineswegs rechts, eher links, günstigstenfalls ver
tritt sie einen engherzigen Opportunismus des Religiö
sen — keine Gegnerschaft gegen das Judentum ein-