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Zuerst soll Jahwe-Jehova der Stammes- und Volks-
Eott der Juden sein. Da sagen sie nun, es zieme sich doch
nicht für Germanen und Deutsche, den Nationalgott der
Juden anzubeten. Hier liegt eine große Täuschung vor.
Jahwe ist nicht der Stammes- und Volks-Gott der Juden,
sondern er ist der der ganzen Welt gehörige HErr . .“
„Aber noch ein wichtigeres Geschütz führt der Antisemi
tismus auf — doch auch das weist nach der Bibel starke
Konstruktionsfehler auf und kann auf Bibelkenner keinen
Schuß tun. Man sagt, Jahwe sei ein rachsüchtiger, blut
dürstiger und mörderischer Gott, der den Juden lauter Blut
befehle gegen die andern Völker gegeben habe. Ihm diene
eben das jüdische Volk noch heute. Man sollte zunächst den
Antisemiten die Schulaufgabe geben, alle d i e Sprüche zu
sammeln — es stehen viele im Katechismus —, welche die
wunderbar zarte Liebe Iahwe's — seine Gnade, sein Er
barmen, seine Geduld, seine Güte preisen. Ihrer ist eine
große Zahl. Zusammengefaßt sind sie in dem köstlichen
Spruch: „Gnädig und barmherzig ist der HErr, ist Jahwe,
geduldig und von großer Güte." Wunderbar evangelische
Töne von der nimmermüden Liebe und Gnade Iahwe's
durchziehen das ganze Alte Testament. Allerdings Jahwe
ist auch Richter, ernster, heiliger Richter. Ja, heiliger
Richter, unerbittlich, aber all fein Gericht steht im Dienst
seiner Gnade."
Pfarrer Böhmerle geht dann auf alle die Angriffe
der Antisemiten gegen das Alte Testament ein, um sie
schlagend abzuweisen und dann zusammenfassend zu
sagen:
„Lassen wir uns drum durch den Antisemitismus die
Bibel, die er liest mit der Brille der Judenfeindschaft —
nicht zerreißen. Judenfeindschaft ist nicht der Geist, der in
die Erkenntnis der Schrift führt. Eotteskinder haben mit
dem Antisemitismus nichts gemein — er ist ein Vibelfeind.
Diese sagen auch den Juden die Wahrheit, auch über ihren
jetzigen Fluchzustand, aber sie sagen sie in der Liebe Ehristt,
welche über allem ausgebreitet sieht: Den Wunderrat
Iahwe's, des Herrn!
So stehen die Christen zum Antisemitismus. Darum
sollte es dem gläubigen Judentum nicht schwer fallen,
der Partei sich zuzuwenden, die den Konservatismus
des Religiösen und Sittlichen festhält, dem Zentrum.