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rale Partei totgesagt; sie lebt noch immer. Und sie
wäre zweiffellos in der alten Stärke erschienen, wenn
die besitzende Bourgeoisie in ihrer wahnsinnigen Angst
um Besitz, Macht und Einfluß nicht die sonst so ge
pflegten Spezialien der „liberalen Weltanschauung"
preisgegeben hätte,' nur um wirtschaftliches und so
ziales Prestige zu erhalten, als deren wirksamste
Propagandisten sich die Deutschnationalen anmaßen,
die ihrerseits weitherzig genug und bereit waren,
allerhand Steine des Anstoßes, wie die „Muckerei"
und betonte Kirchlichkeit, aus dem Wege zu räumen.
Scharenweise ist man aus den Reihen der Liberalen
und Demokraten zu den Deutschnationalen gestoßen,
von deren Entschiedenheit und Ellbogen-Virtuosität
man erwartete, daß sie der Rückkehr zur Vorherrschaft
der geschichtlich privilegierten Schichten ein zuver
lässiger Wegbereiter fein werden. Erhebliche Teile der
abgezogenen Liberalen werden sicher bei den Deutsch
nationalen verbleiben. Die Abwanderung hat aber
ihren Höhepunkt erreicht. Ja, es kann kein Zweifel
darüber bestehen, daß eine mäßige Rückwanderung
im Anzug ist, die sich verstärken wird. Es handelt sich
um jene Teile, denen die Monarchie an sich quantite
negligeable war; denn der alte Liberalismus war in
seinem Wesenskern stets republikanisch; man hat unter
der Herrschaft des alten Regimes mehr wie einmal
darauf aufmerksam gemacht, daß die Liberalen nur
eine Vernunftehe mit der Monarchie eingegangen
haben. Es ist kaum 23 Jahre her, daß die „Köln.
Zeitung", die wohl auch heute noch als das geistig
führende Organ des spezifischen bürgerlichen Liberalis
mus anzusprechen ist, mit einer Revision der mon
archischen Ueberzeugung innerhalb der National
liberalen Partei gedroht hat. Aus diesen Kreisen
wird sich die Rückwendung zur alten nationalliberalen
Deutschen Volkspartei fortsetzen. Jedenfalls kann gar
keine Rede davon sein, daß die Neigung zu einer Ver