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rechterhaltung von Ordnung und Gerechtigkeit das
geeignete Instrument in der gegebenen Institution der
Monarchie ersah. Stahl war gewiß ein viel zu tiefer
Denker, als daß er glauben konnte, der Begriff der
Autorität fei an den Begriff der Monarchie in Per
manenz als Repräsentantin der Autorität geknüpft.
Das Entscheidende für Stahl war, daß der Staat ein
sittliches Reich darstellt. Zum sittlichen Reich gehören
Ordnung und Gerechtigkeit nach dem Willen Gottes.
Es ist eine Rüance aus den Agitations-Spielen
der Reaktion, die Mehrheit als selbstverständliche
Vertreterin der Unklugheit zu verunglimpfen. Das
Wort aus dem Schillerschen Demetrius: „Mehrheit ist
Unsinn" mag in den Ohren derer, die ja auch den
sozialen Pastor für einen Unsinn erklärt haben, sym
pathisch klingen. Die Schiller-Verehrer vergessen aber,
daß mit dem Wort keineswegs des Dichters Meinung
ausgedrückt wurde. Der Dichter hat es dem Fürsten
Sapieha in den Mund gelegt, der die Adelsoligarchie
vertrat: ein Einziger konnte durch sein Veto einen
Mehrheitsbeschluß umstoßen.
Mehrheiten können irren, gewiß. Aber sie irren
sicherlich nicht mehr und nicht öfter wie der Eine, dem
entscheidende Gewalt zugebilligt wurde. Irren ist
menschlich; das gilt für den Monarchen wie für die
Mehrheiten der Parlamente. Es kam nicht von unge
fähr, daß man die Monarchie konstitutionell machte; die
Erfahrungen mit der absoluten Monarchie waren nicht
geeignet, den Lehrsatz von der Autorität des Einen
für die Dauer anzuerkennen.
Die Autorität, auf die es ankommt, kann beim
monarchischen Regime, aber ebensogut beim repu
blikanisch-demokratischen aufgehoben sein. Es ist
agitatorische Spiegelfechterei, auf die „formale Demo
kratie" zu schimpfen, als ob diese naturgemäß geord
netes Regieren erschwere. Dies kommt vor, aber die
Monarchie bringt das gerade so gut fertig.