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letzten Jahrhunderts — nirgends zu verzeichnen. Die
Monarchie ist kein sittliches und religiöses Element der
deutschen Eeschichtswerdung.
Der Personenkultus, der mit der Monarchie ge
trieben wurde und wird, ist unmännlich und wider-
christlich. Der Monarchismus war zu einer Vergottung
der Personen ausgeartet. „Die allerhöchsten Herrschaften
nahmen am Gottesdienst für den Höchsten teil." Dieses
lächerliche Zeremoniell streift nicht nur an Götzen
dienst, es ist Selbstentwürdigung und Entmännlichung.
Wenn ein SOjähriger General, um einer Laune des
Monarchen zu genügen, im Kostüm einer Ballett
tänzerin auftritt und während des Tanzes vom Herz
schlag getroffen, tot niedersinkt und keine Zeitung
etwas darüber berichten darf — der Fall Hülsen in
Donaueschingen —, wenn man an den Monarchen in
den wichtig st en Staats - und Volksange
legenheiten von hinten herum,mit Aufbietung aller
Schlauheit herankommen muß, um Gehör, Antwort,
Entscheidung zu erhalten, wenn alles geistig und mora
lisch Mindere aus der monarchischen Umgebung verheim
licht werden muß,daß man „draußen" nichts erfährt, und
wenn Minister, Diplomaten, Kammerherren, leitende
Männer sich dazu hergeben, die Wahrheit zu ver
schweigen, zu lügen, zu liebedienern, so ist das doch der
Zustand einer sittlichen Korruption, die deprimierend
auf die ganze Öffentlichkeit wirken muß und deutsche
Männer in eine Verfassung zwingt, die gleichbedeutend
ist mit sittlicher Minderwertigkeit. Auch rein mensch
lich betrachtet, ist die Monarchie eine Versündigung an
der Seele des einzelnen, am Geist des Göttlichen, sie
ist Götzendienst, der mit Menschen getrieben wird. Es
liegt viel Tiefe und Wahrheit in dem Ausspruch des
Samuel, da die Kinder Israels Gott verließen und
seine Herrschaft ablehnten, als sie ihn baten, ihnen
einen König zu geben, „wie alle Heiden haben", damit
„er vor ihnen herzöge im Kriege". Damit ist fest
gestellt, daß das Königtum kein Spezifikum göttlicher