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reit sein, das Politisch-Staatliche als ein Nebengeord
netes anzusehen. Auch hier wird die Auffassung gel
ten, je mehr der Sozialismus den zentralistisch den
kenden Marxismus aufgibt, desto leichter wird er
föderalistischen Ideen im Politischen zugänglich sein.
Der nationalliberale Unitarismus hat
seine besondere Geschichte. Die Einigung des Reiches im
kleinen Deutschland war den nationalliberalen
Gründern des Nationalvereins Ziel der politischen Ent
wicklung. Dies kleine Deutschland hatte zur Voraus
setzung eine von der österreichischen Belastung abgelöste
Vorherrschaft Preußens im neuen Deutschen Reich. In
der nationalliberalen Einstellung zum Deutschland-
Problem waren eigentlich Preußen und Deutschland
kongruente Größen. Den Nationalliberalen wäre es
am liebsten gewesen, wenn Preußen nach 1866 alle
anderen deutschen Staaten „übernommen" hätte, um so
ein Reich mit „Provinzen" herbeizuführen. Aber man
mußte mit dem Widerstand von Bayern und wohl
dem ganzen Süden rechnen.
Den nationalliberalen Kreisen der Wirtschaft und
des Besitzes mußte schon aus Gründen der Bewegungs
freiheit ein von allen inneren Schranken befreites
Deutschland wünschenswert erscheinen. Andern Schich
ten und Gruppen aus dieser nationalliberalen Sphäre
schwebte auch noch so etwas wie eine preußisch-prote
stantische Vorhut vor, deren Wirksamkeit in dem Maße
garantiert erschien, als Preußen an Macht über das
Reich gewann. So sind es in der Nationalliberalen
Partei verschiedene idealistische, geistige und ungeistige
Strömungen, die ihr den Unitarismus als erstrebens
wertes Ziel erscheinen ließen.
Preußen heißt der große Nenner in der inneren
Politik Deutschlands; er wird von Sozialisten und
Nationalisten für ganz verschiedenartig aufgemachte
politische Rechnungen gebraucht. Unter Preußen ist