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und philosophischen Standpunkt auf seinen Inhalt
prüfen.
Der Mensch kommt von Gott nicht los; er ist mit
ihm verkettet. Das sagen alle Weisen seit Tausenden
von Jahren, und auch heute tönt die Botschaft wieder
stärker in unser Ohr, als wir es in den letzten fünfzig
Jahren gewöhnt waren.
Man braucht auf Werner Sombart nicht zu
schwören — ich persönlich lehne ihn mit seiner Blut-
und Rassenmoral vollständig ab —, aber daß auch
dieser vom Sozialismus herkommende Denker und
Nationalökonom mit seiner Wissenschaft und der mora
lisch-wissenschaftlichen Summe eines langen Lebens im
Hafen Gottes einläuft und dem Wirtschaftlich-Sozialen
und Politischen nur dann glaubt eine 1 befriedigende
Lösung geben zu können, wenn er ihm einen spiri-
tualistischen Koeffizienten — den in Gott ver
ankerten Menschen — voransetzt, gibt immer
hin zu denken.
Im Jahre 1884 wurde Lagarde beauftragt, ein
Programm für die konservative Partei Preußens zu
entwerfen. Dieser Auftrag war gewiß merkwürdig.
Denn wie man sich auch zu Lagarde stellen mag: er
war nicht nur ein großer Gelehrter, sondern eine
wesentlich geistig bestimmte Persönlichkeit, die mit den
preußisch - ostelbischen Denkformen eines robusten
Junkergeistes nicht viel gemein hatte. Es muß auch
noch betont werden, daß Lagarde kein positiver Christ
in unserm Sinne war und daß auch positives evan
gelisches Denken ihm fern lag.
Und doch schreibt er zu demjenigen Punkt, „der
ihm den Schlüssel zu unserer Stellung bringt", fol
gendes:
„Schon oben ist darauf hingewiesen worden, daß
die christliche Kirche auf Erden nur Ein Göttliches
kennt, die Menschenseele. Hier soll geflissentlich aus-