Facialislähmung. a
Der VII. Hirnnerv, der Facialis, kann in seinen
beiden Aesten, dem Stirn-Augenast und dem Mundast,
gleichzeitig deutlich gelähmt sein: Periphere Lähmung
(im peripheren Nerven oder im Kern. Dabei gewöhnlich
elektrische Entartungsreaktion; eventuell auch Geschmacks-
störung durch Chorda-Beteiligung und unangenehm verschärfte
Gehörsempfindung durch Beteiligung des Astes zum M. sta-
pedius. Kinseitiges Weinen). Oder aber es ist nur Läh-
mung des Mundfacialis zu erkennen: Meist zentrale
Lähmung. (Supranukleär. Dabei dann nie Entartungs-
reaktion.) Bei zentraler Lähmung ‚durch Herd in der
Capsula interna stimmt die Seite der Facialis-Lähmung mit
der Seite der Extremitätenlähmung überein, bei Herd in der
Brücke oft nicht: Hemiplegia alternans (Facialis der-
selben Seite, Arm und Bein der gekreuzten Seite gelähmt). Bei
hysterischer Hemiplegie bleibt der Facialis fast stets frei.
Totale halbseitige Facialis-Lähmung ist leicht zu
erkennen, wenn nicht eine Kontraktur zur Lähmung hinzugetreten
ist: Die Stirne ist glatt, nicht zu runzeln. Das Auge steht offen,
Jässt sich nicht schliessen wegen Lähmung des M. orbicularis
oculi: Lagophthalmus. Das Unterlid hängt herab, und es
besteht Tränenträufeln daselbst. Bei Versuch, das Auge zu
schliessen, flieht nur der Bulbus nach oben unter das gesenkte
Oberlid, ohne dass Augenschluss erreicht wird: Bellsches
Phänomen. (Seltener flieht der Bulbus unter das Unterlid:
Inverser Bell.) Die Nasolabialfalte ist verstrichen, der Mund
nach der gesunden Seite verzogen. Auf der kranken Seite hängt
der Mundwinkel herab, und es entweicht dort die Luft beim
Blasen. Ausblasen eines Lichts gelingt besser nach der kranken
Seite hin, weil hier alle Luft entweicht. Der Mund kann nicht
zum Pfeifen gespitzt werden.
Bei totaler doppelseitiger Facialis-Lähmung fehlt
jedes Mienenspiel.
Wichtig, weil häufig vorhanden und dabei schwieriger zu
erkennen, ist eine zentral bedingte leichte Schwäche (Parese)
des Mundfacialis. Man lasse den Patienten lachen, pfeifen,
sprechen und beachte, welche Mundhällte weniger bewegt
wird. (Häufig bei Dementia paralytica und Arteriosklerose
des Gehirns.)
Uebrigens ist der obere Ast öfter mitbeteiligt, als man meist
annimmt. Eine geringe Schwäche desselben tritt namentlich zu-
tage bei dem Versuche, jedes Auge einzeln zu schliessen. Der
Versuch gelingt auf der Seite der Facialis-Schwäche schlechter.
Zu beachten ist als Fehlerquelle, ob eine angeborene
Differenz beider Gesichtshälften oder eine gewohnheitsmässige un-
Raecke, Psychiatrische Diagnostik. 5. Aufl.
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