Full text: Grundriss der psychiatrischen Diagnostik

Geruchsvermögen. Geschmacksprüfung. 
Globus hystericus hat man das häufig bei Hysterischen 
vorhandene Gefühl genannt, als stecke eine Kugel im Halse. 
Salivation (Speichelfluss) oder Ptyalismus findet sich be- 
sonders oft bei katatonischen Zuständen. 
Eine Art Saugreflex (reflektorische Saugbewegungen bei 
Bestreichen des harten Gaumens mit dem Spatel) hat man in Zu- 
ständen schwerer Benommenheit (Coma) beobachtet. Bei Pseudo- 
bulbärparalyse kann Bestreichen von Lippen und Zunge zu einer 
Summe rhythmischer Lippen-, Kiefer-, Zungen- und Schlund- 
bewegungen Veranlassung geben: Fressreflex. Mit diesem selben 
Namen wird aber auch bisweilen die Erscheinung bezeichnet, dass 
verblödete Kranke (z. B. bei Dementia paralytica) wahllos nach 
jedem dem Munde genäherten Gegenstande schnappen. Besser 
spricht man hier von einem Säuglingsreflex, da Säuglinge 
ein ähnliches Verhalten zeigen. 
Torticollis oder Caput obstipum nennt man Schief- 
stand des Kopfes durch Krampf eines M. sternocleido-mastoideus 
(N. accessorius, XI. Hirnnerv). 
Das Geruchsvermögen (N. olfactorius, I. Hirnnerv) 
untersucht man in der Weise, dass man dem Patienten ein 
Nasenloch zuhält und vor das andere eine deutlich riechende 
Flüssigkeit in einer Flasche mit engem Halse bringt, z. B. 
Pfefferminzöl, Essig, Asa foetida usw. Der Patient soll 
angeben, ob und was er riecht. Kann er nicht die Art 
der Flüssigkeit nach dem Geruche bestimmen, mag er 
wenigstens sagen, ob es gut oder schlecht riecht. 
Doppelseitige Aufhebung des Geruches (Anosmie) kann durch 
Druck auf die Olfactorii zustande kommen bei Tumor, Hydrocephalus 
usw. Indessen ist das Geruchsvermögen sehr verschieden ent- 
wickelt, auch lokale Prozesse in der Nase können den Geruch 
schädigen. Selbst Differenzen zwischen rechts und links sind 
aus diesem Grunde nur mit Vorsicht zu verwerten. Bei Hysterie 
ist häufig halbseitige Geruchslähmung vorhanden. 
Abtropfen von Cerebrospinalflüssigkeit aus der Nase hat man bei 
starkem Gehirndrnek durch Tumor und Hydrocephalus beobachtet. 
Bei der Geschmacksprüfung streckt der zu Unter- 
suchende die Zunge heraus und zeigt, ohne zu sprechen, 
mit dem Finger auf einer vorgehaltenen Tafel nach einem 
der dort niedergeschriebenen Worte „Sauer“, „Bitter“, „Süss“. 
Auch hier prüfe man beide Zungenhälften getrennt, indem 
man mit einem (jedes Mal gewechselten) kleinen Watte- 
bausch auf die Ränder etwas Flüssigkeit tupit. Zweckmässig 
benutzt man schwache Zucker-, Kochsalz-, Chininlösungen 
und verdünnte Essigsäure. Nach jeder Prüfung ist der Mund 
auszuspülen. Aufhebung des Geschmacks nennt man Ageusie. 
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