Full text: Grundriss der psychiatrischen Diagnostik

Status somaticus. 
Tiefensensibilität der distalen Gliedabschnitte. Bei Durch- 
brechung der ganzen sensiblen Leitungsbahn (z. B. in der 
Casula interna) kommt es zu Hemianästhesie einer ganzen 
Körperhälfte. 
Dabei fehlt meist eine scharfe Begrenzung der Sensibilitäts- 
störung in der Mittellinie: Einzelne schmale Zonen mit erhaltenem 
Gefühl ragen fingerförmig in das Gebiet der Anästhesie hinein. 
4. Psychogene, d. h. psychisch bedingte. Besonders 
bei Hysterie: Betroffen sind alle Empfindungsqualitäten an 
einem Körperteile oder Gliedabschnitte in einer Umgrenzung, 
die nicht irgendwelchen anatomischen Verhältnissen, sondern 
der naiv populären Anschauung entspricht. Wird eine ganze 
Körperhälfte in Form der hysterischen Hemianästhesie be- 
troffen, so findet sich meist eine scharfe Grenze in der 
Mittellinie, und das Gesicht bleibt in der Regel frei. 
Auch sämtliche Sinnesorgane derselben Seite können hier 
beteiligt sein. Endlich vermag sich die hysterische Anästhesie 
über den ganzen Körper auszudehnen. Dennoch pflegt sich solch 
Kranker keine Verletzungen zuzuziehen und kann mit den Händen 
feine Verrichtungen ausführen im Gegensatz zu dem Verhalten 
bei organischen Gefühlsstörungen. 
Hinsichtlich der Art der Empfindungsstörungen unter- 
scheidet man solche der Hautsensibilität, und der Tiefen- 
sensibilität (Muskel, Bänder, Sehnen, Gelenke). 
1. Hautsensibilität. 
Die Hautsensibilität zerfällt in die Qualitäten Tast-, 
Schmerz-, Temperaturgefühl und den Ortssinn, 
a) Tastgefühl: Die Prüfung geschieht mit dem Pinsel 
oder einem kleinen Wattebausch, eventuell mit der Finger- 
kuppe und mit leichten Nadelberührungen. 
Pinsel: Dem Patienten werden die Augen zugehalten oder 
mit einem Handtuche bedeckt. Um die Aufmerksamkeit anzuregen, 
wird jede Berührung zweckmässig mit einem „Jetzt“ angekündigt, 
und der Patient hat dann mit „Ja“ oder „Nein“ zu antworten. 
Sagt er fortgesetzt „Ja“, empfiehlt es sich, zur Kontrolle einige 
Male „Jetzt“ zu rufen, ohne eine Berührung erfolgen zu lassen. 
Heisst es immer „Nein“, lasse man gelegentlich einige Berührungen 
unangekündigt und vermeide ein gleichmässiges Tempo. ‚Jetzt 
würden alle Reaktionen mit „Nein“ beweisen, dass die Berührungen 
tatsächlich empfunden wurden, möglicherweise allerdings weniger 
gut als an gesunden Stellen, Die Grenzen einer anästhetischen 
Zone markiere man sich gleich mit einem Blaustifte (Dermograph) 
und zeichne nachher das ganze Ergebnis in ein Schema ein. Um 
an einer Extremität das Vorhandensein segmentaler Sensibilitäts- 
60)
	        
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