Redesucht. Sprachverwirrtheit. 1
tionen vgl. S. 95.) Jedem auftauchenden Gedanken wird
sofort Ausdruck gegeben. Zitate, Wortwitze, Reime, Ver-
gleiche werden eingeflochten. Der Kranke verliert den
Faden, kommt vom Hundertsten ins Tausendste. (Vgl. 5. 92.)
Beispiel von Ideenflucht bei einer manischen Kranken, der
gerade das Essen gebracht wird: „Jetzt gibt es zu essen. Die
Ehe ist ein Gefängnis. Ich mag nicht verheiratet sein. Das ist
so ein Zwang, und alles Gezwungene, das liebe ich nicht. Ich
schwärme für Carmen Sylva. Ich habe so viele Liebschaften unter-
halten... Das Herz haben sie mir gestohlen. Ich leide an Herz-
verkalkung, Herzverlagerung. Lerne zu leiden, ohne zu klagen.
Es tat furchtbar weh, als mein erstes Kind zur Welt kam. Kriegen
Männer auch‘ Kinder?“
Den höchsten Grad der Ideenflucht bildet ein sich über-
stürzender Redefluss, der überhaupt keinen Zusammenhang mehr
erkennen lässt: Logorrhoe.
Ausser bei Manie kommt Ideenflucht vor bei allen heiteren
Erregungszuständen, bei Dementia paralytica, Epilepsie, Hysterie
usw. Bei Hebephrenie und Katatonie fällt die grosse Gedanken-
armut, die stete Wiederkehr derselben Worte und Wendungen
auf. Es gibt auch eine ängstliche Ideenflucht; sie ist aber selten.
(Vgl. Mischzustände.)
ß) Sprachverwirrtheit (besonders bei Kranken der
Katatoniegruppe, bei Amentia und epileptischer Verwirrtheit):
Sinnloses Aneinanderreihen von Worten, nicht immer mit
Redesucht verbunden. Die äussere Satzform kann erhalten
bleiben, und nur der Inhalt total unverständlich sein. Oft
findet sich Neigung zu Rhythmen, pathetischem Tonfall,
lebhaften Gesten.
Beispiel: „Kann ein lang länger ein Gelingen sein? Kin R
ein Y sein, damit S, damit Essen, damit Singen, damit Klopfen,
ein Z wohl ein G, ein Eisen ein reiner Glaube sein? O möchten
wir ein N, ein Bügeleisen, ein S sein! Möchte ıohl ein St sein,
möchte einer Rechten ein X eine Echse sein!“ (Fall von Katatonie.)
In den leichteren Fällen bleibt der Inhalt des Gesagten
verständlich; es ist nur der Gedankengang zerfahren,
Im Gegensatz zur Ideenflucht erscheint dieser trotz seiner
unvermittelten Sprünge auffallend eintönig, mit Neigung‘ zu
Wiederholungen, z. B.:
„Ach, ich kann Ihnen sagen, ich wäre gern mit zur Harz-
reise. Urlaub habe ich gehabt. Haben Sie den grossen Stern
gesehen da draussen? Und ich habe geglaubt, dass da draussen
der Abort wäre. Ach, ich kann Ihnen sagen, die arme Frau auf der
Harzreise, die hat furchtbar geweint. Haben Sie Urlaub? Dann
gehen Sie doch auf die Harzreise!“ ... (Fall von Hebephrenie.)
Raecke, Psychiatrische Diagnostik. 5. Aufl.
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