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Körperliche Störungen sind vorhanden, aber meist nicht sehr aus-
gesprochen.
Im Anschluß hieran sei auf gewisse nichtparalytische psychische
Störungen hingewiesen, die sich im Verlauf der Tabes dorsalis
zuweilen einstellen. Abgesehen von leichteren Störungen mehr elemen-
tarer Art werden auch hier paranoide Zustände nicht selten be-
obachtet, teils in der Form des akuten halluzinatorischen Alkohol-
wahnsinns (s. das Kapitel Alkoholpsychosen), teils in mehr chronischer
Form mit Wahnideen (Wahn körperlicher Beeinflussung) und Sinnes-
täuschungen.
Auf dem Boden der Lues cerebi entsteht endlich nicht selten eine
Form der Epilepsie. Die Anfälle zeigen dabei im allgemeinen
dieselben Abarten, wie wir sie bei der echten Epilepsie kennen,
treten aber meist erst im etwas reiferen Alter auf. Bei genauerer
Untersuchung finden sich diese oder jene körperliche Zeichen der
Hirnerkrankungen (Augenmuskellähmungen, Pupillenveränderungen,
Hemiparesen usw.), die auf die Besonderheit des Falles hinweisen.
Die serologische Untersuchung hat endlich in neuester
Zeit Beziehungen zwischen kongenitaler Syphilis und gewissen
psychischen Entwicklungshemmungen aufgedeckt.
Pathologische Anatomie.
In bezug auf die Lokalisation des syphilitischen Krankheits-
prozesses. lassen sich 3 Gruppen unterscheiden, nämlich 1. die Fälle
mit Bildung zirkumskripter Gummiknoten (rein gummöse Formen),
2. die gummös-meningitischen Prozesse an der Basis oder der Kon-
vexität (meningitische Formen), 3. die syphilitischen Gefäß-
erkrankungen (vaskuläre Formen). Bei den Fällen der 3. Gruppe
sind wiederum zu unterscheiden solche, bei denen vorzugsweise die
großen Hirngefäße, und solche, bei denen die kleinen Rinden-
gefäße betroffen sind. Uebrigens lassen sich diese Formen nicht
scharf voneinander abgrenzen. ”
Die isolierten Gummigeschwülste finden sich an den
Häuten des Gehirns oder in der Hirnsubstanz selbst, teils mit Er-
weichungen und meningitischen Infiltrationen, teils ohne solche. — Die
luetisch-meningitische Infiltration kann sich auf die Basis
oder auf die Konvexität beschränken, seltener ergreift sie beide
Regionen. Die gummöse Meningitis der Basis bevorzugt die
Gegend zwischen Chiasma und vorderem Brückenrand,
erstreckt sich aber auch weiter nach vorn und nach hinten. Dieser
Lokalisation entsprechend findet man vorzugsweise den Nervus opticus
und oculomotorius in meningitische Infiltrationen eingebettet oder
selbst durchwachsen; häufig sind aber auch die anderen Hirnnerven
(Olfactorius, Abducens, Trochlearis, seltener Facialis, Trigeminus,
Acusticus usw.) geschädigt. — Infolge der Neigung der meningitischen
Infiltrationen, an den benachbarten großen, Gefäßen in die Gehirn-
substanz selbst vorzudringen, kommt es häufig zu Erweichungen.
Mikroskopisch zeigt die frische Iluetische Meningitis eine
massige, nahezu gleichartige Infiltration der Pia mit Lympho-
cyten. ‚Diese Infiltration erfüllt, abweichend von dem Verhalten bei
der Dementia paralytica, auch die Wandungen der Pialgefäße und
das interstitielle Gewebe der Nerven. In den stärksten Anhäufungen
der Infiltrationszellen. kommt es weiterhin teils zu herdförmigem Zer-
fall, teils. zu derber Schwartenbildung.‘ Die Beteiligung
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